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Und nun (jetzt), schreibt euch dieses Lied auf (Rav Frand, Wajelech 5783)

Raw Frand zu Paraschat Wajelech 5783

Ergänzungen: S. Weinmann

Und nun (jetzt), schreibt euch dieses Lied auf

We‘ata kitwu lachem et Haschira hasot - Und nun (jetzt), schreibt euch dieses Lied auf [Dewarim 31: 19].

Der Poniwescher Rav hat im Jahr 1952 einen alten Brauch erneuert: Jedes Jahr findet in den Räumlichkeiten der Poniwescher Jeschiwa ein Lernen für die breite Öffentlichkeit statt. Diese Wochen des speziellen Lernens werden „Jarchej Kalla“ (siehe Glossar) genannt.

An der ersten Jarchej Kalla nach dem Hinschied des Poniwescher Rav, erwähnte Rav Schmuel Rosowsky den folgenden Gedanken des Poniwescher Ravs: Wir werden gelehrt, dass Jehoschua vor der Einnahme der Stadt Jericho einen Mal’ach (Engel) sah: „Es war nun, als Jehoschua in Jericho war, da erhob er seine Augen und sah: Ein Mann stand ihm gegenüber, sein Schwert gezückt in seiner Hand. Da ging Jehoschua auf ihn zu und sprach zu ihm: „Ha-lanu ata… - Gehörst du zu uns oder zu unseren Feinden?“ Er sprach: ‚Nein! Ich bin der Heerführer des Ewigen, ‚ata bati‘ - nun (jetzt) bin ich gekommen’.“ [Jehoschua 5:13 - 14]

Dies ist eine Unterhaltung, die wir nicht verstehen. Wir verstehen weder die Frage noch die Antwort des Engels. Die Gemara [Talmud Traktat Megillah 3a] erklärt den Dialog. Der Engel sagte zu Jehoschua, dass die Juden wegen der Belagerung Jerichos zwei Dinge unterlassen hatten. In der vorangehenden Nacht unterliessen sie es, das Korban Tamid (tägliche Opfer) darzubringen und nun vernachlässigten sie das Torah-Studium. Jehoschua fragte den Engel, für welche der beiden Sünden er gekommen sei, um sie zu bestrafen. Der Engel antwortete „für die Sünde, die du nun getan hast“ (die Vernachlässigung des Torah-Studiums).

Tossafot zur Stelle in Megilah [ibid.] erklärt, dass in der Antwort, die der Engel gibt, mit dem Wort „ata“ („nun/jetzt“) auf die Bedeutung hingewiesen wird, die an das Gebot „We‘ata kitwu lachem - und nun/jetzt („ata“), schreibt euch dieses Lied auf“ erinnert. „Lied“ bezieht sich auf die Torah. Tossafot [ibid.]  fragt jedoch, wie wir die Worte des Passuks mit der Frage Jehoschuas an den Engel verbinden können. Tossafot antwortet: Weil Jehoschua den Engel fragte: „Ha-lanu ata…“ („Gehörst du zu uns?“). Das Wort „lanu“ (uns) wird im Passuk „Torah ziwa lanu… - Die Lehre, die uns Mosche geboten hat“ verwendet. [Dewarim 33:4]

Sie sprachen miteinander in einer Geheimsprache. Jehoschua gebrauchte das Wort „Lanu“, als ein Schlüsselwort für „Torah ziwa lanu Mosche“ - die Lehre, die uns Mosche geboten hat“ und der Engel benützte das Wort „Ata“ als ein Schlüsselwort für „Ata Kitwu lachem et haSchira hasot“ -„Nun, schreibt euch dieses Lied (die Torah) auf“ .

Wenn sie schon in einer Geheimsprache zueinander redeten, fragte der Poniwescher Rav, warum hat dann der Engel nicht das gleiche Schlüsselwort (lanu) benützt wie Jehoschua? Der Poniwescher Rav gibt eine wunderschöne Antwort. Man kann die Torah auf zwei Arten betrachten. Einerseits gibt es das Gebot des Torah-Studiums. Manchmal ist es schwierig zu lernen; es mag berechtigte Entschuldigungen geben, nicht lernen zu können. Die Torah beinhaltet jedoch mehr als das blosse Torahstudium. Die Torah ist auch ein Lied. Ein Lied ist ein Teil des Daseins eines Menschen. Ein Lied entspringt der Seele. Es ist ein Teil der innersten Gefühle eines Menschen. Es ist ein Teil seines Wesens.

In Wirklichkeit sagte der Engel zu Jehoschua, dass er nicht bloss gekommen sei, weil sie nicht lernten. Dafür hätten sie eine berechtigte Entschuldigung gehabt: Sie waren beschäftigt; sie belagerten eine Stadt. Wenn die Torah jedoch für einen Juden ein Teil seines Wesens, wie ein Lied sein sollte, dann kann ein Mensch buchstäblich keinen Tag ohne ihr Studium verbringen, unabhängig davon wie berechtigt die Entschuldigung ist. Das war nicht der Fall. Deshalb kam der Engel, um sie anzuklagen. Die Torah muss mehr sein als lediglich eine Abfolge von Geboten. Die Torah muss „das Lied unserer Seele und das Wesen unseres Daseins“ sein.

Es mag schwierig sein zu lernen, aber wenn wir wahrhaftig mit der Torah verbunden sind, wird es uns nie in den Sinn kommen, das Torah-Studium zu unterbrechen. Ohne Lernen können wir nicht leben.

Quellen und Persönlichkeiten:

Tossafot ("Tossafisten"): Talmuderklärer des 12. und 13. Jahrhunderts. Einige unter ihnen waren Enkel von Raschi.

Rav Josef Schlomo Kahaneman, Poniwescher Raw (1886 - 1969); Poniwesch, Litauen; Benej Berak, Israel. Einer der grössten Erbauer von Tora- uns Waisen-Institutionen nach der Schoa.

 

Glossar

Jarchej Kalla:

Jarchej Kalla ist der Name einer Einrichtung aus der Zeit der Amora’im und Geonim. Zweimal im Jahr, in den Monaten Adar und Elul, fand eine grosse Versammlung von Studierenden statt, um sich mit dem Studium vorher festgelegter Traktate zu befassen. Diese Einrichtung wurde von Raw in Sura gegründet, während in Naharda’a (Städte in Babylonien, in denen es grosse Jeschiwot hatte) eine alternative Einrichtung mit dem Namen „Schabata DeRigla“ tätig war.

Der Zweck der Jarchej Kalla bestand darin, auch Menschen, die das ganze Jahr hindurch arbeiten, die Möglichkeit zu geben, in einer Jeschiwa zu studieren und ihr Wissen über Tora und Halacha in den Monaten Adar und Elul zu vertiefen, in denen es nicht viel landwirtschaftliche Arbeit gab.

Im Jahr 1952 erneuerte der Poniwescher Rav, Rabbi Josef Schlomo Kahneman die Tradition der Jarchej Kalla in der Jeschiwat Poniwesch in Benej Berak, jeweils nach Tisch’a BeAw (Ferienzeit Juli/August). Dies um Hunderten von Menschen, die sich das ganze Jahr hindurch für ihren Lebensunterhalt abmühen, ihnen die Möglichkeit zu geben, an einem reichhaltigen Programm von Tora-Lektionen und -Lernen in den Gebäuden der Jeschiwat Poniwesch teilzunehmen.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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