Schewat/ Paraschat Beschalach

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Fasttag Tischa BeAw

Rav Schlomo Katz zu Paraschat Dewarim-Schabbat Chason und Tisch’a beAw 5783

 

Bearbeitet und ergänzt von S. Weinmann

 

Wie können wir den Verlust des Bejt Hamikdasch empfinden?

Nächste Woche wird der Fasttag von Tisch’a beAw sein. Der Midrasch Ejcha  erzählt uns: In Rabban Gamliels Nachbarschaft wohnte eine Frau, deren Sohn in seiner Jugend starb, und sie beweinte ihn jede Nacht. Rabban Gamliel pflegte ihr Wehgeschrei zu hören und erinnerte sich an die Zerstörung des Bejt Hamikdasch, und weinte mit ihr, bis seine Augenwimpern hinausfielen (Midrasch Rabba Ejcha 1:24, siehe auch Talmud Traktat Sanhedrin 104b].

Rav Chajim Saitschik stellt die Frage: Was war der Zusammenhang zwischen dem Verlust dieser Frau und der Zerstörung des Tempels? Benötigte Rabban Gamliel die Inspiration des Geweins dieser Frau, um den Verlust des Bejt Hamikdasch zu fühlen? Zudem, warum teilte er nicht den Schmerz der Frau und weinte über ihren Verlust?

Rav Saitschik erklärt: Der Midrasch drückt die Einsicht von Rabban Gamliel aus, dass jegliche persönliche Tragödie, die ein Mensch erfährt, eine Folge der kollektiven Tragödie des jüdischen Volkes ist, nämlich der Zerstörung des Bejt Hamikdasch. Wenn wir es verdienten, würden wir in Sicherheit, in einem ständigen Zustand von "Die Juden aber hatten Licht, Freude, Wonne und Ehre" [Meggilat Esther 8:16] leben. In den Tränen dieser Frau hörte Rabban Gamliel die Tränen der Tausenden und Abertausenden von Juden, die während der Zerstörung des Tempels und bei den folgenden Tragödien starben, daher weinte er für die gesamte Nation und für jeden leidenden Menschen der Nation.

Auch uns, fährt Rav Saitschik fort, können persönliche Tragödien helfen, den Schmerz der nationalen Tragödie zu fühlen. Keiner von uns kann die Zerstörung des Bejt Hamikdasch gänzlich fassen. Wir können uns jedoch auf einen persönlichen Verlust konzentrieren und dadurch unseren kollektiven Verlust mitempfinden [Kol Zofajich, Haftara zu Tisch’a beAw].

Der Vergleich mit der Erde

"Möge der Ewige, der G"tt eurer Vorväter, euch noch tausendmal mehr werden lassen, als ihr jetzt seid, und euch segnen, ‘ka’ascher diber lachem’ wie Er zu euch gesprochen hat [Dewarim 1:11]."

Rabbi Josef Nechemia Kornitzer schreibt [Chidduschej Rabbejnu Josef Nechemia auf Tora]: Der Midrasch frägt zu diesem Vers: Wo hat Er gesprochen? "Deine Nachkommen sollen wie der Staub der Erde sein…" [Bereschit 28:14] Was bedeutet dies? Sagt Rav Kornitzer: Als Ja’akow vor seinem Bruder Ejsaw flüchtete, steht: [Bereschit 28:11] Und er übernachtete dort (auf dem Berg Morija), weil die Sonne untergegangen war.  Mit anderen Worten, er war besorgt darüber, dass sein Erfolg  durch sein Fliehen untergeht! Da antwortete ihm Haschem: "Das Land auf dem du liegst, werde ich dir und deinen Nachkommen geben. Deine Nachkommen sollen wie der Staub der Erde sein…" [ibid. 28:13-14]. Was wollte G-tt ihm damit sagen?

Nimm dir ein Beispiel von der Erde. Die Erde wird gestampft, gepflügt und ausgebaggert, das sieht oberflächlich gesehen sehr schlecht aus, jedoch hat dies einen guten Zweck, wie mehr die Erde gepflügt und bearbeitet wird, umso besser fällt nachher der Ertrag aus. So auch deine Nachkommen, wie mehr man sie zerstampfen und zerdrücken wird, sollen sie die Hoffnung nicht aufgeben, sondern glauben, dass dies für ihren kommenden Erfolg dient. ‘Dibur-reden’ ist überall ein strenger Ausdruck, im Gegensatz zu ‘Amira-sprechen’, das ein weiches Sprechen bedeutet. Hier steht ‘diber lachem’, ein strenger Ausdruck! Warum?

Mosche Rabbejnu segnete die Benej Jisrael, dass Haschem sie um das Tausendfache vermehren möge, um zu sagen: Mit G"ttes Hilfe wird es euch gut gehen. Jedoch fügte er hinzu: Denkt daran, dass Haschem euch auch segnet "ka’ascher diber lachem", auch wenn Haschem streng zu euch spricht", d.h. auch zu einer Zeit der Strenge, wenn über euch Unheil kommt!

Dreimal Ejcha!

"Ejcha / Wie soll ich allein eure Mühe und Last, die ihr mir macht, und eure Streitigkeiten ertragen? Wählt aus euren Stämmen weise, kluge und bekannte Männer, ich will sie an eure Spitze stellen." [1:12-13]

Der Midrasch Rabba in Ejcha [1:1] bemerkt, dass drei Propheten das Wort "Ejcha" verwendeten: Mosche (im erwähnten Passuk), Jeschaja [in der dieswöchigen Haftara - Jeschajahu 1:21]: "Ejcha / Wie ist sie ist sie zur Buhlerin geworden, die treue Stadt! Die voll war von Gerechtigkeit, in der das Recht übernachtete, sie ist jetzt voll Mörder!" Und Jirmijahu [Megillat Ejcha 1;1]: "Ejcha / Wie liegt sie so einsam, die einst so volkreiche Stadt, wie eine Witwe ist sie geworden; die einst so gross da stand unter den Völkern, eine Fürstin in den Provinzen, nun ist sie tributpflichtig geworden!" Der Midrasch fährt fort: "Dies kann mit einer Edelfrau verglichen werden, die drei Freundinnen hatte. Eine sah sie in den Tagen des friedlichen Lebens, so wie Mosche Rabbejnu die Benej Jisrael sah; eine sah sie in ihren aufgewühlten Tagen, wie Jeschaja das jüdische Volk sah; und eine sah sie in ihrer Schande, wie Jirmijahu die Nation sah."

Rav Jizchak Schmelkes in seinem Werk Bejt Jizchak stellt die Frage: Wenn diese drei Propheten das jüdische Volk in drei verschiedenen Stadien sahen, wie der Vergleich im Midrasch andeutet, warum verwendeten sie bei ihrer Prophetie denselben Ausdruck - "Ejcha"? Er erklärt dies mit einem weiteren Vergleich:

Es gibt drei verschiedene Arten von Ärzten. Manche Ärzte können eine Krankheit nicht korrekt identifizieren, bevor deren Symptome ziemlich ausgeprägt sind. Bessere Ärzte können die Krankheit identifizieren, sobald der Patient die ersten Symptome aufweist. Die besten Ärzte können eine Krankheit oder eine Neigung zu einer Krankheit sogar bei einem scheinbar gesunden Patienten identifizieren.

Rav Schmelkes fährt fort: Die drei Propheten, die im Midrasch erwähnt werden, prophezeiten nicht über verschiedene Phasen des jüdischen Volkes. Vielmehr prophezeiten sie über die letztendliche Zerstörung des Bejt Hamikdasch und das folgende Galut (Exil), und deshalb verwendeten sie dasselbe Wort – ‘Ejcha’. Mosche Rabbejnu war wie der dritte, erfahrenste Arzt: sogar als die Benej Jisrael friedlich in der Wüste lebten, sah er die ersten Anzeichen der Krankheit, die letzten Endes zu einer Katastrophe führen würde. Jeschajahus prophetische Vision war weniger scharf: er sah das bevorstehende Unheil erst, nachdem die ersten Anzeichen ersichtlich waren. Jirmijahu jedoch sah die bevorstehende Zerstörung und das Galut erst, als diese bereits unabwendbar waren.

Ein kluger Tadel

"Wählt aus euren Stämmen weise, kluge und bekannte Männer; ich werde sie an eure Spitze stellen". [1:13]

Rabbi Jeschaja Halevi Horowitz - der Schela Hakadosch schreibt: Zur gleichen Zeit, da Mosche Rabbejnu die Benej Jisrael tadelte (siehe Raschi Passuk 1:1), lobte er sie auch, indem er auf die guten Eigenschaften hinwies, die von ihren Führern erfordert werden und die darauf bei ihnen auch gefunden wurden. Dies stimmt überein mit dem, was wir in Mischlej/Sprüche [9:8] lesen: "Tadle den Spötter nicht, damit er dich nicht hasse; tadle den Weisen, er wird dich lieben." Die Bedeutung dieses Spruches ist wie folgt: Wenn man jemanden tadelt, soll man ihm nicht gleich vorwerfen: Dies und jenes ist bei dir nicht gut. Du bist ein Lästerer oder eine schlechte Person. Wenn du dies tust, wird er dich hassen und nicht auf dich hören. Vielmehr sollst du ihm sagen, wie weise und vernünftig er sei, und wie seine Handlungen unter seiner Würde stehen; auf dieser Art und Weise wird er den Tadel annehmen. Dies ist, was der Passuk meint, wenn er sagt: ‘Tadle einen weisen Menschen’, d.h. wenn du ihn tadelst, sollst du ihm zuerst das Gefühl geben, dass er ein weiser Mann sei.  

Der Wischnitzer Rebbe von Monsey, Rabbi Mordechai Hager führt den Gedanken näher aus: Wenn man einen Menschen tadelt, indem man ihm sagt, dass er schlecht sei, könnte dieser Mensch zum Schluss kommen, dass er nicht mehr zu retten ist und dass er deshalb das Joch des Himmels gänzlich abwerfen könne. Vielmehr sollte man ihn aufbauen und ihm sagen, dass gerade, weil er solch ein guter Mensch sei, seine Handlungen unangemessen sind.

Der Wischnitzer Rebbe fährt fort: Dies gilt auch, wenn man allein Mussar (Moral- und Ethik-Bücher) lernt. Man sollte nie schlussfolgern, dass man ein verlorener Mensch sei und deshalb aufgeben sollte. Vielmehr sollte er wissen, dass er in Wirklichkeit ein braver und reiner Mensch ist, er hat einfach Bereiche, in denen er sich verbessern muss. Der Rebbe fügt hinzu: Die Gemara [Berachot 5a] identifiziert drei Taktiken zum Besiegen des Jezer Haras (bösen Triebes): das Tora-Lernen, das Sagen von ‘Schema’, und die Vorstellung seines eigenen Todestages.

Frühe chassidische Rebbes lehrten jedoch, dass es eine noch wirksamere Taktik gibt: Über die Reinheit, Grösse und Heiligkeit seiner eigenen Seele zu meditieren, die gemäss unseren Weisen unter Haschems Thron der Herrlichkeit "herausgehauen" wurde. Kein Unterschied, wie schwer ein Mensch sich abmühen muss, sollte er dies stets vor Augen halten (Torat Mordechai: Mussar Awicha).

Quellen und Persönlichkeiten:

Raschi, Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040-1105); Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.

Schela'h Hakadosch - Rabbi Jeschajahu ben Awraham Halevi Horowitz (Hurwitz) (1558 - 1630): Bekannter Kabbalist, halachische Autorität und Gemeindeführer; mit dem Akronym "Schela'h" - nach einem seiner Hauptwerke „Schenej Luchot HaBrit“ (Die zwei Gesetztafeln) - genannt; Prag, Frankfurt a/M., Jerusalem, Tiberias.

Rabbi Jizchak Jehuda ben Schemuel Schmelkes (1827–1905); Lemberg (Lvov, Galizien heute Ukraine). Als Schüler von Rav Joseph Schaul Nathanson , dem Leiter des Bejt Din (Rabbinergerichts) in Lemberg , wurde Rav Schmelkes in seiner Jugend als brillanter und genialer Talmudschüler gefeiert. Er fungierte als Rabbiner und Leiter des Bejt-Din in mehreren Städten, wie Berezsan und Pzsemisel (Przemyśl, Polen) bevor er nach Lemberg berufen wurde, wo er bis zu seinem Tod blieb. Von 1869 bis 1893 war er Leiter des Bejt Din in Lemberg. Danach wurde er zum Rabbiner der Stadt gewählt. 

Sein Werk Bejt Jizcḥak (6 Bände, 1875–1908) über die vier Teile des Schulcḥan Aruch fand grossen Anklang. Seine Meinung zu halachischen Fragen wurde von vielen prominenten zeitgenössischen Gelehrten eingeholt. Auch verfasste er das Werk ‘Bejt Jizcḥak’, Erklärungen zur Tora.

   

  

Rav Josef Nechemja ben Akiwa Kornitzer (1880-1933); Nagyszőlős (Söjlesch, Österreich-Ungarn); Krakau (Polen). Er war ein ungarisch-polnischer Talmudgelehrter und Rabbiner. Seine Mutter war die Tochter von Rabbi Schimon Sofer (Sohn des Chatam Sofer), Oberrabbiner von Krakau. Am Tag seiner Brit Mila verstarb seine Mutter. Seinen Vater verlor er, als er elf Jahre alt war. Daher lebte er in seiner Kindheit bei seinem Onkel mütterlicherseits, Rav Schlomo Alexander Sofer.

1901 heiratete er die Tochter von Rav Pinchas Chaim Klein Rabbiner in Nagyszőlős Er lehnte die ihm angebotene Rabbinerstelle ab und bevorzugte eine Verwalterstelle bei einer Seifenfabrik. Erst nachdem die Seifenfabrik abgebrannt war, nahm er eine Rabbiner-Stelle an. Im Jahr 1912 wurde er Rosch Jeschiwa in Nagyszőlős. Nach dem Tode des Schwiegervaters übernahm er dessen Stelle als Rabbiner in Nagyszőlős, das 1918 Teil der Tschechoslowakei wurde.

Im Jahre 1925 zog er nach Krakau und wurde zum Rabbiner Krakaus gewählt. Diese Position         bekleidete er acht Jahre lang bis zu seinem frühen Ableben nach schwerer Krankheit im Jahre 1933. Er war ein Genie und schrieb sehr viel in allen Bereichen der Tora. Im Holocaust gingen alle Schriften verloren. Nach dem Holocaust wurden bei einem Nichtjuden ein Teil der Schriften entdeckt, die dann von seinem Schwiegersohn Rav Schabtai Frenkel redigiert und veröffentlicht wurden.

Rav Chajim Saitschik (1906-1989); Piotrkov, Mazir (Russland), Białystok und Lomza (Polen), Buczacz, (Ukraine), Frankreich, USA und Israel. Er war Rosch Jeschiwa der Jeschiwat Bejt Josef-Nowardok in Buczacz, (Ukraine). Im zweiten Weltkrieg wurde er von den Russen verschleppt.  Am Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte er nach Buczacz zurück und als er herausfand, dass seine Familie umgekommen war, zog er nach Frankreich zur Jeschiwa „Or Yosef Novhardok“ in Frankreich unter der Leitung von Rabbi Gershon Liebman. Von dort aus machte er sich auf dem Weg in die USA, dort heiratete er.

Anfang der 1960er Jahre wanderte Rabbi Saitschik nach Israel aus. In der ersten Zeit war er als spiritueller Leiter an der Tiferet Hakarmel Jeschiva in Haifa tätig. Nach einiger Zeit ließ er sich in Jerusalem nieder und widmete seine ganze Zeit der Verbreitung der Ideen der Mussar- (moralischen) Bewegung im Geiste von Nowardok. Im Laufe der Jahre veröffentlichte er eine lange Reihe von Büchern, wie Or Chadasch, Or Hanefesch, etc. und hielt ausserdem Vorträge und Moralvorträge für Kollel- und Jeschiwa-Studenten. Er gründete den Kollel „Or Chadasch“ und leitete es.

Rabbi Mordechai ben Chajim Meir Hager (1922 – 2018); Grosswardein (Oradea, Rumänien), USA. Nach dem Ableben seines Grossvaters Rabbi Jisrael Hager, bekannt als ‘der Ahawat Jisrael’, im Jahre 1936, wurde sein Vater, Rabbi Chajim Meir der Wischnitzer Rebbe. Sein Vater, er und ein grosser Teil der Familie überlebten den Holocaust mit grossen Wundern.

Sein Vater übersiedelte nach Tel Aviv und nachher nach Benej Berak und war der Gründer der ersten Chassidisch-Orthodoxer Kirja (Wohnquartier). Nach seinem Ableben, im Jahre 1972, wurden seine beiden Söhne chassidische Rebbes. Rabbi Mosche Jehoschua in Benej Berak und Rabbi Mordechai in Monsey (N.Y., USA). Er war ein grosser Talmud-Gelehrter. 46 Jahre lang leitete er seine Chassidim mit grosser Liebe und Hingabe.

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Die Bearbeitung dieser Beiträge erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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