Schewat/ Paraschat Beschalach

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Jom Kippur

Das persönliche Allerheiligste (Raw Wein zu Jom Kippur 5768)

Das Hauptthema von Jom Kippur ist natürlich Teschuwa (Umkehr) und himmlische Vergebung. Dies kommt auch in der Gebetsordnung an diesem Tag zum Ausdruck. Das Bekennen unserer Sünden und Fehler und unser Versprechen, uns zu bessern, sind ein nicht weg zu denkender Teil der Gebete dieses heiligen Tages.

Und doch, es gibt eine andere, subtilere, nicht so offensichtliche Idee, welche die Gebete von Jom Kippur prägt. Das ist die Erinnerung an die Geschichte des jüdischen Volkes, an unsere bisherigen Leiden und Triumphe und an unsere Fähigkeit, alles zu ertragen, zu überleben und am Leben zu bleiben.
In den aschkenasischen Liturgien wird die Awoda (der Dienst) des Kohen Gadol (Hohenpriesters) im Tempel in den Musaf-Gebeten nacherzählt. Basierend auf talmudischen Quellen und Beschreibungen dieses Dienstes, die im Traktat Juma stehen, haben die Poeten Israels einen Teppich gewoben, der dem Betenden – obwohl viele Jahrhunderte und Kontinente vom Tempel entfernt lebend – ein Gefühl der unmittelbaren Nähe vermittelt, als ob er – sogar heute – an diesen Momenten geistiger Erhabenheit teilnimmt.

In unseren Synagogen bücken wir uns und werfen uns vor Haschem nieder, wie es unsere Vorfahren vor vielen Jahren im Hof des Tempels taten. Wir sind mit ihnen in diesem Moment eins. Ich wage zu sagen, dass die Musaf Gebete am Jom Kippur und die Beschreibung des Dienstes im Tempel eine gleich grosse Rolle spielen wie die Kinot am Tischa Be’Aw und die täglichen Gebete über das Land Israel, um den jüdischen Traum der Rückkehr nach Zion lebendig und echt zu erhalten. Für denjenigen, der diese Gebete studiert und vorträgt, werden Hohenpriester und Tempel echt und lebendig in der innersten Seele.

Das Kol Nidrei Gebet, mit dem das Abendgebet des Jom Kippur beginnt, ruft in uns die Erinnerung an die konvertierten Juden der spanischen und portugiesischen Inquisition und Vertreibung hervor. In diesem Gebet sagen wir aus, dass es uns erlaubt ist, zusammen mit all den Jehudim zu beten, die gesündigt haben oder sogar gänzlich vom jüdischen Weg abgewichen sind. Wir erinnern uns an alle dunkeln Zeiten des jüdischen Lebens während unseres langen Exils – die Verfolgungen und erzwungenen Übertritte, die Autodafés (Voll- streckung der Urteile der Inquisition) und die geheimen Juden, die gezwungen waren, ihrem Glauben im Versteckten, in dunklen und feuchten Kellern nachzugehen. Jom Kippur kommt und erinnert uns, nie einen Jehudi aufzugeben. Es wird noch eine Generation geben, eine Generation der Rückkehr und der Verjüngung.

Jom Kippur erinnert mich an Dona Garcia Beatrice Mendez und Rabbi Menasche ben Jisrael. Beide wurden als Christen getauft, als sie noch Kleinkinder waren und trotzdem wurden beide Führer in Israel und grosse Verteidiger der Juden und des Judentums. Kol Nidrei erinnert mich an die russischen Juden unserer Zeit, die aus dem Atheismus und der Verfolgung Stalins und seiner Kohorten emporgestiegen sind, um ihrem Jüdisch-Sein neue Geltung zu verschaffen und heim zu kehren ins Land Israel. Ihre Vorfahren hatten vielleicht gegen das Judentum rebelliert, in ihrem Eifer eine neue mutige Welt zu bauen, doch sie sind zurückgekehrt um zu helfen, den starken und wachsenden jüdischen Staat aufzubauen.

In den aschkenasischen Selichot von Musaf am Jom Kippur, lesen wir über die zehn jüdischen Märtyrer in römischen Zeiten. Detailliert werden uns die grausame Hinrichtung und der Märtyrertod von Rabbi Akiwa und seinen Gefährten beschrieben. Die jüdische Welt besteht immer noch auf den Worten, Taten und Werten dieser grossen Leute. Rabbi Akiwa lebt immer noch zwischen dem jüdischen Volk. Und die Gebete am Jom Kippur haben einen Anteil an der Erhaltung seines Andenkens und lassen die Flamme der Inspiration brennen, die er vor ca. 19 Jahrhunderten anzündete.

Doch jenes Selicha-Gebet bestätigt auch die Hartnäckigkeit des jüdischen Geistes und das Ausmass unserer Entschlossenheit. Eigentlich erklären wir am heiligsten Tag des jüdischen Jahres, dass das jüdische Volk weiterlebt und vorhat, dies auch in Zukunft zu tun, egal was die Schwierigkeiten, Probleme und Tragödien sein mögen, die es jetzt duldet und in Zukunft zu erdulden haben wird.

Es ist die Erinnerung an Rabbi Akiwa, an das jüdischen Märtyrertum während den Jahren, an den Holocaust in unserer Zeit, an die Selbstmordattentate, unter denen wir jetzt leiden, die Jehudim die Kraft geben, die Gebete am Jom Kippur mit dem zuversichtlichen Ausruf zu beenden: "Nächstes Jahr im wieder aufgebauten Jerusalem!" Es ist diese subtile Erzählung der jüdischen Geschichte, die in die Gebete von Jom Kippur eingewoben ist, die ihnen ihre Majestät und Bedeutung gibt.

Mögen die Brachot des Jom Kippur sich durch das ganze neue gesegnete Jahr hindurch auf uns erstrecken.

Obwohl unsere Gebete und Gedanken am Jom Kippur himmelwärts gerichtet sind, muss der richtige Jom Kippur in uns selbst stattfinden. Es ist viel einfacher, unsere Sünden und Fehler einem unsichtbaren G’tt zu beichten, als sie ehrlich uns selber zu gestehen. Die Torah lehrt uns, dass der Hohenpriester das Allerheiligste des Tempels am Jom Kippur betrat. Der Talmud nennt diesen Eintritt des Kohen Gadol, einen Eintritt "Lifnai u'lifnim." Dieser Ausdruck bedeutet, hineingehen tief nach innen. Die Gedolim des Talmuds bezogen sich nicht nur auf den körperlichen Eintritt in das Zimmer des Allerheiligsten, sondern meinten auch unseren Eintritt in die innersten Zimmer unseres Herzens, unserer Gedanken und Seele. Allen wird geheissen, am Jom Kippur "Lifnai u'lifnim" einzutreten. Denn ohne ehrliche Selbstprüfung und wahre Hingabe zur Selbstverbesserung, wird Jom Kippur, G’tt behüte, eine sinnlose Übung, wenn nicht sogar eine bedeutungslose Scharade. Vor dem warnt uns der Prophet Jeschaja in der Haftarah, die wir am Morgen des Jom Kippur lesen: "Ist dies der Fasttag, den Ich von euch verlangte? Dass ihr eure Köpfe beugt wie Schilf oder dass ihr an eure Brust schlägt mit eurer Faust?"

All diese öffentliche Zerknirschung ist jedoch bedeutungslos, wenn sie nicht mit der ehrlichen Bereitschaft einhergeht, sich zu bessern, sein Verhalten gegenüber G“tt und Menschen mit seinem Glauben und seiner Selbst-Analyse in Einklang zu bringen.

Jom Kippur gibt uns die Gelegenheit zu einem solch tiefen Einblick in uns selber. Es ist ein Tag der Abstinenz von Essen und Trinken und von anderen körperlichen Aktivitäten. Es ist eine Flucht vor dem Stress und dem Druck unseres tagtäglichen Lebens und vor den Problemen und der Frustration die damit zusammenhängen. Wir sorgen uns immer um andere - Familie, Freunde, Bne Israel, die Welt, die Wirtschaft, etc. Jom Kippur gibt uns die Gelegenheit, sich um uns selbst zu kümmern und sich mit uns selbst zu beschäftigen – nicht in einer egoistischen, sondern in einer sinnvollen und positiven Art und Weise. Es ist der eine Tag im Jahr, wenn wir tief in uns schauen können und Bedeutung und Ziel in unserer Existenz finden können.

Dies ist nicht einfach. Es ist sehr gut möglich, dass dies nicht in einem Tag erreicht werden kann – sogar wenn dieser Tag Jom Kippur ist. Doch wenigstens rückt Jom Kippur die Notwendigkeit in den Mittelpunkt, dass wir versuchen müssen, uns selbst zu ergründen, um unserem Leben mehr Bedeutung und Klarheit zu geben.

Der Prophet Jeschaja beschreibt, dass schlechte Leute, im stürmischen Meer ihrer Wünsche und Frustrationen herum gewirbelt werden. Haschem will, dass wir in den ruhigen Wassern der Gelassenheit und Verpflichtung, des Glaubens und heiligem Benehmens segeln.

Der Tag von Jom Kippur kann den Beginn dieser Reise von Ruhe und g’ttlichem Zweck sein. Der Tag sollte nicht nur mit äusserlichen Zeichen der Frömmigkeit und Zerknirschung vergeudet werden. Vielmehr sollte er uns veranlassen, unser Innerstes anzurühren, uns zu verbessern, der Tag von Teschuwa und Erneuerung sein, der Absicht von Haschem entsprechend.


Gemar Chatima towa.

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