Schewat/ Paraschat Beschalach

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Die Omer-Zeit, Die Schüler Rabbi Akivas

(Aus DIE JÜDISCHE ZEITUNG, Nr. 19, 18. Ijar 5764 / 4. Mai. 2004)

Von Raw Y. Y. Rubinstein (Bearbeitet von S. Weinmann)


Die Tragödie des Todes von Rabbi Akivas Schülern ist so immens, dass wir ihrer bis zum heutigen Tage gedenken. Wären sie am Leben geblieben, hätten sie uns die Tora so vermitteln können, dass es die Geschichte des jüdischen Volkes verändert hätte.


Wenn wir aber schon die Inspiration ihres Lebens versäumt haben, dann wäre es umso tragischer, wenn wir auch noch die Bedeutung ihres Todes einfach übergehen würden.

Die Gemara (Talmud) berichtet: "Rabbi Akiva hatte 12'000 Schülerpaare, welche allesamt in derselben Zeit, zwischen Pessach und Schawuot, starben. Grund dafür war, dass sie einander nicht mit Respekt behandelten" (Jewamot 62b).
Der Bericht der Gemara ruft mehr Fragen hervor, als er Antworten gibt. Warum ist nicht einfach von 24'000 Schülern die Rede? Warum 12'000 Paare? Und was bedeutet es, dass sie einander keinen Respekt zollten, und weshalb verdienten sie deshalb den Tod? Aus welchem Grund mussten sie zudem ausgerechnet in der Zeit zwischen Pessach und Schawuot sterben? Warum nicht zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur?

Die Umwandlung, die notwendig war, um das jüdische Volk aus einer Sklaven-Nation zu einem Volk zu machen, das am Berg Sinai stehen konnte, war aussergewöhnlich. Sefarim (heilige Bücher) berichten darüber, dass das ganze Leben eines Menschen eine Reise ist, die den Zweck hat, mindestens einen Aspekt seiner Persönlichkeit zu verändern. So etwas in sieben Wochen zu tun, überschreitet eigentlich unser Vorstellungsvermögen.
Und doch geschah es so.

Raschi weist auf einen Passuk in der Tora hin, der beweist, dass es ihnen gelang: "Sie lagerten in der Wüste, und es lagerte dort Jisrael (in Singular) gegenüber dem Berg" (Schemot 19/2).
Das jüdische Volk war am Berg Sinai wie ein einziger Mensch mit einem einzigen Herzen. Diese Errungenschaft war es, die ihnen die Tora brachte. Diese Einheit aber bedeutete mehr als nur das Fehlen von allgemeinen Differenzen. Laut Berechnung des Sohar gibt es in der Tora 600'000 Buchstaben. Wenn in der Sefer Tora (Tora-Rolle) ein einziger Buchstabe fehlt, ist das ganze Sefer "passul" (untauglich). Hätte ein einziger Jude aus dem Volk, welches am Berg Sinai stand, gefehlt (wäre nicht vereint), hätte dieses seinen Zweck nicht erfüllen können und niemand hätte die Tora erhalten.

Rabbi Mosche Chaim Luzzato sZl. - der Ramchal - sagt noch mehr über die 600'000 Juden, die beim Berg Sinai standen. Chasal (unsere Weisen) erklären uns, dass es nicht weniger als siebzig Antworten auf jede Frage in der Tora gibt. Raw E. Dessler – der Michtaw Me’Elijahu – illustriert dieses Konzept, indem er sich einen Menschen vorstellt, der ein Stück Holz vor die Augen eines anderen hält. Dann lässt er das Stück Holz auf derselben Höhe und zeigt es jemandem, der viel höher ist. Wenn man nun diese Leute fragen würde, was dies für ein Stück Holz ist, würde der eine antworten: "Lang und schmal." Der andere würde aber sagen: "Dick und breit". Beide haben aus ihrer Perspektive betrachtet Recht, obwohl sie einander widersprechen.
Der Ramchal sagt: Es gibt 600'000 Arten, um die Tora auszulegen, da es eben so viele Juden gab, die sie erhielten. Jeder Einzelne brachte der Tora seine einzigartige Perspektive mit und leistete einen ebensolchen Beitrag.

Dies entspricht einem Vorfall in der Gemara, als Rabbi Jehuda Hanassi – Rebbi - den Toragelehrten zur Zeit der Hungersnot Hilfe anbot. Rebbi öffnete die Lagerhäuser während dieser Hungersnot und sagte: "Diejenigen, die Chumasch lernen, diejenigen, die Mischna, Gemara, Halacha oder Aggada lernen, kommt und erhaltet Hilfe!" (Bawa Batra 8b).
Rebbi hätte sagen können: "Lasst die "Ba’ale Tora" (Tora-Lernenden) kommen, um Hilfe zu erhalten", doch gibt es eben verschiedene Arten von Ba’ale Tora.

Im Passuk heisst es: "Dies sind die Nachkommen von Mosche und Aharon" (Bamidbar 3:1). Dennoch fährt die Tora nur mit den Nachkommen Aharons fort. Raschi erklärt: "Wenn man jemanden Tora lehrt, dann gilt es, als habe man ihn geboren. Da Mosche Aharons Kinder unterrichtete, galten sie als seine Kinder."

Der berühmte Kabbalist Rabbi Schlomo Alkabetz sZl. erklärt, weshalb Schüler so wie Kinder sind: "Ein Raw, der seine Talmidim (Schüler) lehrt, übermittelt diesen einen Teil seiner Seele. Er überträgt ihnen eigentlich einen Teil seines Seins. Aber nur wenn die Talmidim vereint sind, erfüllen sich die Lehren und deren Eigenschaften, und nur dann kann sich die Lehre ihres Rebben (Lehrers) fortsetzen, denn es ist klar, dass jeder Talmid nur ein bestimmtes Gebiet der Lehren seines Rebben in sich aufnimmt. Jeder behält das, was seiner eigenen Seele entspricht. Darum können die Lehren eines Rebben sich nur über Generationen hin fortsetzen, wenn alle Talmidim zusammen kommen."

Rabbi Akiva war bekannt dafür, allem voran die eine Lehre zu verbreiten: "We'ahawta leRe’acha kamocha - liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst – dies ist eine wichtige Regel in der Tora". Dies äusserte sich auch in der Art und Weise, wie er seine Schüler arrangierte: "Rabbi Akiva hatte 12'000 Schülerpaare" - keine 24'000 einzelnen Schüler, sondern Chawrutot, Paare, Chawerim. Zumindest zwei lernten immer gemeinsam.

Sie aber erwiesen einander kein "Kawod" (Ehre). Der Maharscha sagt, dass die Gemara sich auf den Kawod Hatora bezieht. Sie respektierten den Wert ihres Lernens nicht gegenseitig. Auch heutzutage kann man noch ab und zu hören, wie ein Junge in der Jeschiwa über einen anderen sagt: "Was weiss er schon? Ich könnte ihn glatt in die Tasche stecken!" Wer so denkt, hat es versäumt, einen bedeutenden - vielleicht den bedeutendsten - Teil der Aufgabe des vereinten Klall Jisrael zu verstehen. Wenn man den Wert des Lernens eines Anderen nicht respektiert und schätzt, dann erklärt man nicht nur, dass jener in Tora nicht glänzt, sondern sagt im Grunde genommen auch, dass man selbst nicht glänzt. Es kann sein, dass man mehr als jemand anderer weiss. Wie aber Rabbi Schlomo Alkabetz festhält, fasst jeder Talmid nur einen Bruchteil seines Rebben in sich auf. Der Bruchteil des einen kann grösser sein, doch benötigt es alle Teile zusammen, um das Ganze zu ergeben.

Die Schüler Rabbi Akivas gefährdeten mit ihrer Einstellung die gesamte Überlieferung der Tora an die späteren Generationen. Deshalb starben sie zwischen Pessach und Schawuot, da diese Zeitspanne mehr als jede andere zum "Ke’Isch echad beLew echad" - wie ein Mann und mit einem Herzen" aufruft. Zu dieser Zeit geschah es, dass alle verschiedenen Juden mit ihrem einzigartigen Verständnis und Beitrag zusammen beim Berg Sinai den Anfang bildeten, um die Weitergabe der Tora von einer Generation zur nächsten zu gewährleisten. Hätten sie die Bedeutung der Einigkeit nicht einsehen können oder wollen, wäre es nicht möglich gewesen, dass sie das erste Glied der Überlieferung bilden sollten.

Raw Ahron Kotler sZl. erklärt, dass wir uns jedes Jahr in dieser Zeit an den Tod von Rabbi Akivas Schülern erinnern, um uns den Grund vor Augen zu halten, weshalb sie starben, um diesen Grund aus uns selbst zu verbannen. Wie es Rabbi Jehuda haNassi sagte: "Es gibt solche, die Chumasch lernen und andere, die Mischna, Gemara, Halacha oder Aggada lernen. Es gibt viele verschiedene Arten von Juden, aber jeder Einzelne ist für die anderen von grosser Bedeutung.

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Nachdem mein Rosch Jeschiwa, Raw Leib Gurwicz sZl. diese Welt verliess, beschloss einer der jungen Rebbes (Dozenten) der Gatesheader Jeschiwa, auf die Schloschim (30. Tag nach seinem Ableben) hin, eine Sammlung seiner Schiurim herauszugeben.
Er wandte sich an eine Anzahl Schüler und bat sie, sich an Einzelheiten aus Raw Leibs Tora-Lernen zu erinnern, die auf sie einen besonderen Eindruck gemacht hatten. Ich lernte damals Jore Dea (2. Teil des Schulchan Aruch), doch hatte ich mit Raw Leib nicht viel über Halacha gesprochen. Daher berichtete ich über etwas, das ich von Raw Leib über einen Tosafot im Traktat Kidduschin gehört hatte. Ein anderer Schüler erzählte von einem neuen Verständnis einer Halacha, das ihm Raw Leib vermittelt hatte. Jemand anderer führte ein Stück Drusch (Erklärung zur Tora) an und ein weiterer Schüler eine Lektion über Haschkafa. Durch die Sammlung der verschiedenen Dinge, an die sich die Schüler erinnerten, konnte Raw Leib durch diese Publikation wirklich treffend dargestellt werden.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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