Schewat/ Paraschat Beschalach

Tu biSchewat

חמשה עשר בשבט - Tu biSchewat

Die Gemeinsamkeit von Obst und Mensch

Aus: Die Jüdische Zeitung, Nr. 4, 10. Schwat 5778 / 26. Januar 2018

Ergänzungen: S. Weinmann

Früchte und menschliche Wesen teilen eine ähnliche Eigenschaft: Sie offenbaren beide nur einen Teil ihres Potenzials.

Tu Bi’Schewat, der Beginn des neuen Jahres der Bäume, ist eine festliche Zeit. Doch weshalb? Wir feiern kein neues Jahr für Gemüse oder Pflanzen. Was ist so speziell an den Früchten? Ein Unterschied zwischen Früchten und des Bodenertrags finden wir am Anfang der Tora. Im Gan Eden (Paradies) wurde Adam angewiesen, sich von Früchten zu ernähren: „Und G-tt, der Ewige befahl dem Menschen und sprach: Von jeglichem Baume des Gartens darfst du essen…“ (Bereschit 2:16).

Als Adam sündigte und von seiner hohen Madrega (geistigen Stufe) fiel, wurde auch seine Ernährung auf eine tiefere Stufe gesetzt: „Und zum Menschen sprach er... es sei verflucht der Erdboden um deinetwillen; mit Schmerzen sollst du dich von ihr ernähren, alle Tage deines Lebens! Dornen und Disteln wird sie dir wachsen lassen und du wirst essen das Kraut des Feldes“ (Bereschit 3:17-18).

Die Früchte der Bäume sollten die Menschheit nicht weiter versorgen. Von nun an sollte er von den Gräsern der Felder leben - Weizen, Gerste und andere Körner oder Gemüse. Als Adam dies hörte, wurde er sehr betrübt: „Als Haschem zu Adam sagte, Dornen und Disteln soll sie dir hervorbringen ... tränten seine Augen. Er sagte: Herr des Universums! Ich und mein Esel sollen aus einem Trog essen?“ (Psachim 118a).

Beim Übergang von der Ernährung von Früchten zu einer von Bodenerträgen erkannte Adam, dass er dem Status der Tiere nahegekommen ist. Schauen wir uns den Unterschied ein wenig genauer an.

Mehr als das Auge erfassen kann

Ein Mensch wird „Adam“ genannt, da er aus der „Adama“ (Erde) - geschaffen wurde. Dies macht Sinn, bis wir in Betracht ziehen, dass auch Hunde, Katzen und Schalentiere aus Erde gemacht wurden! Alle Geschöpfe wurden aus Erde geformt - weshalb wird nur der Mensch Adam genannt?

Der Maharal erklärt, dass zwischen dem Menschen und der Erde Ähnlichkeit besteht. Betrachten wir ein Stück Land mit kahler Erde. Es erscheint eigenschaftslos, lebenslos. Man kann tief graben und dennoch nichts ausser Erde finden. Doch wenn man wartet und zuschaut, entdeckt man ein unglaubliches Phänomen. Pflanzen und Blumen wachsen scheinbar aus dem Nichts. Selbst riesige Bäume können sich entwickeln — woher kommen sie? Die Erde hat ein enormes verborgenes Potenzial in sich, viel mehr als das Auge fassen kann. Schauen wir uns nun Tiere an. Ein Tier wird in der Tora „Behema“ genannt. Das Wort besteht aus „ba mah“, also „darin, was ist es?“ oder „es ist, was es in sich hat“ – mit anderen Worten: „was du siehst, bekommst du auch“. Was man bei einem Tier sieht, seine Haut, Augen Glieder und Fell – das ist alles. Es gibt keine verborgenen Tiefen bei einem Nilpferd.

Doch der Mensch hat die Fähigkeit, seinen Intellekt weiterzuentwickeln und Taten von uneigennütziger Natur zu vollbringen. Er kann spirituell wachsen, zu einem aussergewöhnlichen Menschen werden. Da ist so viel mehr als das Auge fassen kann. Deshalb wird er nach der Erde benannt. Mensch und Erde sind ähnlich, weil beide verborgenes Potential haben.

Wenn wir Früchte mit Pflanzen und Gemüse vergleichen, sehen wir denselben wesentlichen Unterschied. Wenn Körner und Gemüse gewachsen sind, wird die gesamte Pflanze geschnitten und verzehrt. Was du sieht, ist was du bekommst. Wenn sie konsumiert wurde, bleibt nichts übrig. Es gibt keine Möglichkeit, von dieser Pflanze noch einmal etwas zu produzieren.

Ein Fruchtbaum ist anders. Was man sieht, ist nur ein winziger Bruchteil von dem, was man erhält. Selbst wenn alle Früchte konsumiert wurden, hat der Baum noch weiteres Potenzial. Er kann weitere Früchte hervorbringen, für viele Generationen.

Adam lebte ursprünglich auf der Stufe der Ernährung von Früchten. Er hatte grosses Potenzial, das darauf wartete, entwickelt zu werden. Doch als er sündigte, fiel er auf eine Stufe, die nur ein wenig höher ist als die der Tiere. Ein Tier hat nichts mehr in sich, als das Auge sieht. Es hat kein grosses spirituelles Potenzial, das für einen kreativen spirituellen Ausdruck genutzt werden kann. Daher ernährt es sich von Pflanzen, die auch kein Potenzial für eine weitere Entwicklung haben. Auf gleiche Weise wurde Adams Kapazität der spirituellen Entwicklung drastisch reduziert.

Von der Erde zum Himmel

Der begriffliche Unterschied zwischen Früchten und Gemüse wird auch in ihrem unterschiedlichen Aussehen ausgedrückt. Obstbäume sind hoch und reichen von der Erde zum Himmel hinauf. Sie repräsentieren das Streben nach spirituellem Wachstum und einem Potenzial, das sich nach weiterer Entwicklung sehnt. Pflanzen und Gemüse hingegen liegen tief unter oder knapp über der Erde; sie repräsentieren die niedrige Körperlichkeit und keinen Drang nach Erhabenheit.

„Adam reichte von der Erde zum Himmel... doch als er sündigte, legte Haschem Seine Hand auf ihn und verminderte ihn...“ (Sanhedrin 38b).

Nun können wir die bildliche Ausdrucksweise der Gemara verstehen. Adam hat ursprünglich aufwärts zum Himmel gereicht, wie die Obstbäume, die grosses Wachstumspotenzial haben. Doch nachdem die Schlange ihn zur Awejra (Sünde) verleitet hatte, wurde dieses Potenzial stark eingeschränkt. Die Schlange selbst, die sich die Sünde ausgedacht hatte, verwandelte sich von einem aufrechtstehenden Geschöpf (wie die Bäume) in eines, das sich im Staub bewegt (wie Pflanzen und Gemüse). Der Mensch geht im Gegensatz zu den Tieren noch aufrecht. Obwohl die Grösse des Menschen reduziert wurde, hat er sein Potenzial zu wachsen und gar seinen ursprünglichen Rang wiederzuerhalten behalten.

Der ägyptische Esel

In seiner Verzweiflung schreit Adam, dass er die selbe Nahrung wie sein Esel essen muss. Der Esel heisst in Hebräisch „Chamor“, was auf dem Wort „Chomer – Materie“ basiert. Der Esel ist das „materialistischste“ Geschöpf. Ein Tier, das ausschliesslich seinen physischen Begehren nachgeht. Adam realisierte, dass die Änderung seiner Kost den Herabfall auf eine solche Stufe aufzeigte.

Interessanterweise steht der Esel mit einem bestimmten Volk im Zusammenhang: „Im Land Ägypten.... dessen Fleisch das des Esels ist...“ (Jecheskel 23:19-20)

Mizrajim (Ägypten) war ein von materialistischen Trieben durchdrungenes Volk und wird daher vom Esel repräsentiert. Es fehlte ihnen an Kapazität für spirituelles Wachstum und es überrascht nicht, dass das jüdische Volk Mizrajim als „Land des Gemüses“ in Erinnerung hatte. „Wir erinnern uns der Fische, die wir in Mizrajim umsonst essen konnten; der Gurken und der Melonen, und des Lauches, und der Zwiebeln und des Knoblauchs“ (Bamidbar 11:5).

Gemüse, das nicht über das grosse Potenzial der Fruchtbäume verfügt, drückt die Kerneigenschaft von Mizrajim aus. Und daher steht, wenn es mit Erez Jisrael verglichen wird: „Denn das Land, in das du kommst, um es in Besitz zu nehmen, ist nicht wie das Land Mizrajim, aus dem ihr ausgezogen seid, das du, wenn du deine Saat aussäst, mit deinen Füssen bewässern musstest wie einen Gemüsegarten...“ (Dewarim 11:10-12).

Auch der Name von Ägypten – „Mizraijm“ – basiert auf dem Wort Mejzar - „Einschränkung“ und bezieht sich auf dessen limitierte Kapazität für Wachstum und den Mangel an spirituellem Potenzial.

Der Winter ist der „Seman Hagalut – Exil-Zeitraum“ des Jahres. Doch dieser Abschnitt des Winters ist besonders verbunden mit dem Galut Mizrajim (ägyptischen Exil). Dies wird durch die Paraschot angedeutet, die wir zu dieser Zeit leinen, in denen das Galut Mizrajim behandelt wird. Begrifflich dann, wenn wir auf einer „Gemüse“-Stufe sind, einer, die das Wachsen in Ruchniut (Geistigem) einschränkt.

Deshalb ist das neue Jahr der Obstbäume mit all ihrer spirituellen Wichtigkeit ein Grund für ein grosses Fest.

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