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Schmitta

Rav Frand zum Schmitta-Jahr

Ergänzungen: S. Weinmann

Das Schmitta-Jahr ist da. Viele Gebote sind mit diesem speziellen Jahr verbunden. In Paraschat Re’eh [Dewarim 15:1-3] finden wir das Gebot der Einhaltung des Schmitta-Jahres.

Die bewunderungswürdige "Abnormität"  

Wir lesen in Paraschat Re'eh: "Am Ende von sieben Jahren (am Ende eines Schmitta-Jahres) sollst du einen Erlass eintreten lassen…  Jeder Schuldherr soll das Darlehen, das er seinem nächsten geliehen hat, erlassen…" [15:1-3].

Rabbi Mordechai Gifter erzählte, dass der Ponivescher Raw sZl. einst während eines Schmittajahres auf einen Baum hinzuging, ihn umarmte und küsste und sagte: "Gut Schabbes, Baum."

Mit seinem dynamischen Stil lehrte der Ponivescher Raw uns den erstaunlichen Begriff von Schmitta. Während eines ganzen Jahres erleben alle Felder und Obstplantagen in Erez Jisrael einen Schabbat, ähnlich dem Schabbat, den wir einmal pro Woche feiern. Wenn wir das Glück haben, während eines Schmittajahres in Erez Jisrael zu sein, sollten wir verspüren, wie die Heiligkeit auf das Land hinunterkommt, so wie wir die Heiligkeit des Schabbats empfinden.

Es gibt einen anderen Aspekt von Schmitta, der hier erwähnenswert ist. Physische Gegenstände enthalten üblicherweise keine Heiligkeit. Ein Mensch muss einen Gegenstand weihen, um ihn zu heiligen. Während der Schmitta werden jedoch alle Früchte und Gemüse, die in Erez Jisrael wachsen, automatisch heilig, nur weil sie im Heiligen Land wachsen. Wenn man das Land durchfährt, verspürt man, wie jede Orange, jeder Etrog und jede Gurke Heiligkeit enthält.

Ich empfinde die Notwendigkeit, die aussergewöhnliche Heiligkeit von Erez Jisrael zu betonen, weil die säkularen Regierungen, die den Staat Israel seit rund siebzig Jahren regieren, bewusste Anstrengungen unternommen haben, jegliche Heiligkeit des Landes auszulöschen, und leider dabei sehr erfolgreich waren. Ein Besucher im heutigen Israel wird wahrscheinlich die Keduscha (Heiligkeit) des Landes übersehen, falls er nicht eine bewusste Anstrengung unternimmt, die im Land enthaltene Heiligkeit zu erleben.

Nach der Unterzeichnung der Vereinbarungen von Oslo sendete das öffentliche Radionetzwerk in

Amerika einen Bericht über Israel. Der Bericht konzentrierte sich auf den Gegensatz zwischen Tel Aviv und Jerusalem. Einer der Befragten sagte: "Tel Aviv ist eine normale Stadt, unbelastet von der Geschichte. Tel Aviv ist wie Miami!"

Um das Argument des Befragten zu beweisen, besuchte der Reporter Tel Aviv an einem Freitagnachmittag und registrierte die Geräusche, die man auf einer typischen Strasse in Tel Aviv hören kann. In der Tat kann man die Stadt, wenn man seine Augen schliesst und den Geräuschen lauscht, leicht mit der Stadt Baltimore oder irgendeiner anderen Stadt in Amerika verwechseln. Er hörte einige Momente lang "Rap Musik" – wenn man dies Musik nennen kann – die aus einer Boom Box einer Gruppe von Teenagern plärrte, die auf der Strasse herumlungerten. "Dies ist so normal", erklärte der Reporter.

Daraufhin beschrieb er Jerusalem an einem Freitagnachmittag. "Orthodoxe Juden, viele von ihnen in breitrandigen Hüten und langen Kaftanen, hasten durch die Strassen und bereiten sich für den kommenden Schabbat vor."

Jerusalem, unterstellt der Bericht, sei nicht normal. Jerusalem sei eine Stadt, die das Gewicht von Tausenden von Jahren der Geschichte und Theologie auf ihren Schultern tragen müsse.

Tel Aviv ist eine moderne Stadt. Tel Aviv ist eine "normale" Stadt. Jerusalem ist es nicht.

Ehrlich gesagt war die Erzielung einer "Normalität" das erklärte Ziel des säkularen Zionismus. Die frühen zionistischen Führer betrachteten den Passuk (Vers) "Wir möchten wie alle anderen Nationen sein" (dort ging es um die Bitte um das Einsetzen eines Königs) [Schmuel I, 8:20] als ihr Motto. Sie entwickelten das Land durch das Blut, den Schweiss und die Tränen der Kibbuz-Bewegung, malten sich jedoch die ganze Zeit ein Land aus, dessen Städte wie alle anderen "normalen" Städte der Welt aussehen würden.

Was sie nicht realisierten, war, dass wenn Tel Aviv wie Miami aussehen würde, ihre Nach-kommen beschliessen könnten, dass es sich nicht lohnt, in Tel Aviv zu leben, sondern in Miami. Falls Tel Aviv nur eine billige Nachahmung von Miami sei, ist es ja lohnender nach Miami zu ziehen. Und dies ist genau das, was geschah.

Ein Reporter spürte einst den Nachkommen von mehreren Gründern des zionistischen Staates nach – Namen wie Herzl, Ben-Gurion, Jabotinsky und andere – und fand heraus, dass über 75%! ihrer Nachkommen ausserhalb von Israel lebten.

Ich möchte hier Rabbi Emanuel Feldman, den früheren Rabbiner von Atlanta, Georgia, zitieren, der heute den grössten Teil des Jahres in Erez Jisrael verbringt:

Die " Jordim" (Absteiger, Auswanderer) liessen die Kibbuzim in Scharen, körperlich und geistig, für das weniger strenge Leben – und letztendlich die grösseren Bequemlichkeiten und materiellen Gelegenheiten von Kanada und den USA – im Stich. Der heiligste Grundsatz des säkularen zionistischen Kanons – sich in Israel niederzulassen – wurde gänzlich ignoriert. Wie die Säkularen schmerzlich realisieren, ist die Jerida (Auswanderung) aus Israel vorwiegend ein säkulares Phänomen, während die Alija (Einwanderung) nach Israel vorwiegend religiös ist.

Juden, die in den ersten 20 Jahren nach der Gründung des Staates, das Land verliessen, wurden als Deserteure und Verräter angesehen, wie Soldaten, die während einer Schlacht ihre Einheit verlassen. Jizchak Rabin nannte sie „Abfall“. Die „Herabsteigenden“ (Jordim) wurden mit Aussenseitern der normalen Gesellschaft in Verbindung gebracht, mit Leuten der unteren Klasse und anderer, die ihren Platz nicht in einer normalen Gesellschaft finden konnten. 

In den Folgejahren begannen aber immer mehr junge Israelis für immer nach Berlin, London, Miami oder New Jersey zu übersiedeln. Viele ihrer Kinder sprechen fremde Sprachen und gaben das Hebräisch gänzlich auf.

Nach offiziellen Schätzungen leben rund siebenhunderttausend israelische Jordim/Auswanderer jetzt im Westen. Diejenigen, die mit einer religionslosen Diät erzogen wurden, geben Israel für den Westen auf, während diejenigen, die mit der Mizwa-Beachtung aufwuchsen, es scheinbar nicht schwierig finden, den Luxus des Westens für ein weniger komfortables Leben in Israel im Stich zu lassen.

Dieser Trend führt zu einer interessanten Gegenüberstellung: Man kann hören, wie in Elektronik-Geschäften auf der 42nd Street in New York oder auf dem Pico Boulevard in Los Angeles Hebräisch gesprochen wird, während in vielen israelischen Jeschiwot wie Brisk, Kerem Be'Javneh, etc. Englisch gesprochen wird.

Die Religiösen in Israel stellen den Säkularen heute eine beunruhigende Frage: Wer sind die eigentlichen Chowewej Zion? Wer liebt Zion wirklich?

Nur diejenigen, die die Tora und Mizwot beachten, wollen wirklich in Israel leben. Nur sie sind bereit, im "abnormalen" Land zu leben.

Erez Jisrael ist nicht normal. Es ist "nicht normal", Früchte als heilig betrachten zu müssen, nur weil sie in einem gewissen Jahr wachsen. Dies ist jedoch das, um was es sich bei Erez Jisrael handelt. Zudem ist es dies, was Jude zu sein bedeutet: Ja, ein Jude ist von der Geschichte belastet. Es ist nicht überraschend, dass diejenigen, die nicht realisieren was die eigentliche Bedeutung von "Jude sein" ist, nicht interessiert sind, in einem Land zu leben, das von Geschichte und Theologie belastet ist und es auch immer sein wird.

Ironischerweise ist der Teil der Bevölkerung, den die Säkularen als "abnormal" betrachten, bereit, in Israel, dem "abnormalen" Land, zu leben.

Ein Artikel in der New York Times dokumentierte die säkulare Reaktion auf die amerikanischen Olim (Einwanderer) nach Israel. Die Haltung des Artikels war, dass säkulare Israelis nicht verstehen können, wie ein normaler Mensch, der in den USA lebt und dort einen Lebensunterhalt hat und ein Haus besitzt, zur lächerlichen Schlussfolgerung kommen kann, dass es sich lohnt, all seinen Besitz zusammenzupacken und nach Israel zu ziehen. In den Augen der säkularen Israelis sind die Leute, die heutzutage aus Nordamerika Alija nach Israel machen, nicht ganz von Sinnen, schloss der Artikel.

In gewissem Sinn haben die säkularen Israelis Recht. Leute, die bereit sind, ein Luxusleben für ein Land aufzugeben, das viel weniger materielle Gelegenheiten bietet, weil dies eine Mizwa ist, nicht normal sind. Aber nur abnormale Leute können in einem abnormalen Land leben. Es mag seltsam ausgesehen haben, als der grosse Ponivescher Raw einen Baum umarmte. Der Ponivescher Raw gehörte nicht zu "Green Peace" oder irgendeiner Bewegung zur "Rettung der Welt".  Mit seinem unkonventionellen Verhalten vermittelte er eine Botschaft. Erez

Jisrael ist ein Land, das von abnormalen Massstäben regiert wird, und es kann nur von Leuten bewohnt werden, die gleichermassen "abnormal" sind.

Es ist diese Abnormität, die wir alle bewundern und nach der wir alle streben sollten.

Quellen und Persönlichkeiten:

  • Rav Josef Schlomo Kahaneman, Poniwescher Raw (1886 -­ 1969); Poniwesch, Litauen; Benej Berak, Israel. Einer der grössten Erbauer von Tora- uns Waisen-Institutionen nach der Schoa.
  • Rav Mordechaj Gifter (1916 – 2001), Rosch Jeschiwa der Telser Jeschiwa in Cleveland, Ohio; USA.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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