Schewat/ Paraschat Beschalach

Raw Frand zu Parschat Wajera 5770

Awraham stellt wenig Wasser bereit, jedoch viel Brot und Fleisch. Weshalb?

Über Raw Jisrael Salanter wird eine berühmte Geschichte erzählt, die mit der dieswöchigen Parscha zu tun hat. Der Gründer der Mussar - Bewegung war einmal zu Gast bei einem angesehenen Gemeindepräsidenten. Der Gastgeber bemerkte, dass Raw Jisrael, als er seine Hände vor dem Essen übergoss, nur bis zu den Handknöcheln, dort wo die Finger in die Hand übergehen, wusch. Er war überrascht, dass der hochgeachtete Raw sich nicht an den allgemeinen Brauch hielt, die Hände bis zum Handgelenk (ad haPerek) zu waschen. Während der Mahlzeit fragte er den grossen Rabbiner, weshalb er sich mit dem minimalen Standard zufrieden gab. Raw Jisrael erklärte, dass es sehr gut sei, machmir zu sein (zu erschweren) und sich bis zum Handgelenk zu waschen. Dies jedoch nur, wenn man sich nicht darum kümmert, wer das Wasser transportieren muss.

In jenen Tagen, vor der Errichtung der Wasserkanalisation und den Wasserhähnen, war der Wasserträger ein weitverbreiteter Beruf in Europa. Diese mussten Wasserkübel von den Flüssen und Brunnen in die privaten Häuser schleppen. Raw Jisrael wollte nicht, dass jemand anders, wegen seiner eigenen Frömmigkeit oder seinem Verlangen, Mizwot (Gebote) auf die optimalste Weise zu erfüllen, mehr Wasser schleppen müsste Er hielt sich an "Sei kein Zaddik (frommer Mensch) auf die Rechnung eines andern."

Der Schemen HaTow bemerkt, dass der Ursprung dieser Anekdote in unserer Parscha steckt. Parschat Wajera ist die Parscha von Hachnassat Orchim (Gastfreundlichkeit). Awraham sieht drei vorbeigehende Reisende, er wusste nicht, dass es Engel waren, und kann nicht genug für sie tun. Er bereitet eine Unmenge an Essen, ganz speziell aber Fleisch und Brot, für ihr Labsal vor. Alles, was er für sie tut, ist in grosser Menge vorhanden. Die einzige Ausnahme ist Wasser. Er bittet die Gäste: "Es soll doch ein wenig Wasser genommen werden und wascht eure Füsse und lehnt euch an unter dem Baum." [Bereschit 18:4]

Weshalb ist Awraham so sparsam mit Wasser, wenn er mit Fleisch und Brot so grosszügig war? Der Talmud schreibt in Baba Mezia 86b, die Ausdrucksweise von Awraham beweist, dass er das Wasser für die Gäste durch einen Boten (Schliach) holen liess. Jedoch das Essen bereitete er selber vor und sparte dabei weder an Mühe noch an der Menge. Weil aber die Mizwa des Wasserbringens durch einen Schliach ausgeführt wurde, wollte Awraham den Boten nicht mehr als nötig belästigen und begnügte sich damit, "ein wenig Wasser“ bereit zu stellen. Wer sagt, dass die Bequemlichkeit von Gästen wichtiger ist als die des Wasserträgers?

Dies zeigt uns, dass der Chessed (die Wohltätigkeit) von Awraham Awinu auf der Tatsache basierte, dass er Haschems Ebenbild in jedem Menschen sah. Er behandelte Menschen in einer solch achtungsvollen Art, weil er ihn ihnen diesen himmlischen Teil sah. Dies ist nicht einfach zu erreichen, gelinde gesagt. Da sein Chessed auf dieser Wertschätzung beruhte, verteilte er seine Wohltätigkeit nicht blind. Er hatte die Grösse und die Einsicht zu realisieren, dass man manchmal den Chessed gegenüber einem Menschen einschränken muss, um nicht die Ehre oder den Respekt der einem anderen gebührt, einzuschränken.

Diese Grösse steht im starken Gegensatz zu einem anderen "Ba‘al Chessed" (Wohltäter) in dieser Parscha. Lot wohnte in Sedom, einer Stadt, die bekannt ist für ihren Mangel an Chessed. Als aber dieselben Engel nach Sedom kommen, offeriert ihnen Lot seine Gastfreundlichkeit trotz dem Risiko, dass er seinen Ruf, wenn nicht sogar sein Leben verlieren kann. Er nimmt sie heim und bewirtet sie königlich. Schliesslich lernte er ja von Awraham Awinu wie Gastfreundschaft auszuüben sei.

Was aber sehr schwierig zu verstehen ist, wie es sein kann, dass derselbe "Ba‘al Chessed" seine Töchter der Schändung preisgeben wollte. Als die Menschen von Sedom an seiner Tür klopften und die Herausgabe seiner Gäste zur Schändung verlangten, war Lots Antwort auf ihre Forderung: "Nehmt meine Töchter statt sie."

Was geschah mit seinem Chessed? Wie kann jemand so etwas tun?

Die Antwort ist, wenn ein Mensch Chessed übt, weil er in jedem andern Menschen das g“ttliche Ebenbild sieht, dann kann er nie so was tun. Man würde nie die eigene Familie opfern, um eine Wohltat für jemand anders zu tun. Chessed, der als Egotrip praktiziert wird, Chessed, der zeigen soll, "ich bin ein so netter Mensch", der endet vielleicht mit einer solch unangebrachten Tat. Chessed, der nicht auf dem Konzept basiert, dass "Wertvoll ist der Mensch, der in Seinem Ebenbild erschaffen wurde" [Awot 3:18] könnte einen Menschen dazu bringen, die verrücktesten Dinge zu tun."

Quellen und Persönlichkeiten:
Rabbi Jisrael Salanter 1810 - 1883 Gründer der Mussarbewegung (Schulung des Charakters); Rosch Jeschiwa in Wilna und Kovno; Litauen.
Schemen HaTov: Rav Dov Weinberger; zeitgenössischer Autor und Rabbiner in Brooklyn, New York



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