Schewat/ Paraschat Beschalach

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Raw Frand zu Parschat Wajeschew 5766

Besondere Vorrechte bringen eine besondere Verantwortung mit sich

Parschat Vajeschev beginnt mit der Geschichte von Josef und seinen Brüdern. Sie endet mit der Geschichte von Josefs Ankunft in Ägypten und seinen anfänglichen Erlebnissen in diesem Land. Josef scheint die Hauptfigur in der Parscha zu sein. Es gibt nur eine Ausnahme: Das Kapitel 38, welches die Geschichte von Jehuda und Tamar beschreibt.

Oberflächlich betrachtet besteht kein Zusammenhang zwischen der verwickelten Schilderung von Jehuda, seinen Söhnen und Schwiegertöchtern und der Geschichte von Josef. Sie scheint überhaupt nicht in den Ablauf der Erzählung zu passen, die sonst durch nichts unterbrochen wird. Die Frage, die sich offensichtlich stellt, ist: Warum steht sie hier?

Raschi zitiert eine Aussage (die eigentlich Teil eines längeren Midraschs ist) von Chasal (unsere Weisen), dass dieses Kapitel, beginnend mit den Worten „und es geschah zu dieser Zeit, da trennte sich Jehuda von seinen Brüdern und zog …“ einen Verlust der Führungsrolle beschreibt. Bis zu diesem Zeitpunkt akzeptierten die Brüder Jehuda als ihren Führer. Nach dem Verkauf Josef’s und den schweren Folgen, die sein Verschwinden auf ihren Vater Ja’akov hatte, gaben die Brüder Jehuda die Schuld für den Lauf der Ereignisse, und enthoben ihn sozusagen von seiner Führungsposition innerhalb der Familie.

Dies scheint eine ungerechtfertigte Reaktion von Seiten der Brüder zu sein. Die Pesukim (Verse), die von Josef’s Verkauf berichten, zeigen eher, wenn überhaupt, dass Jehuda der „gute Junge“ war. Die anderen Brüder hatten ihn umbringen wollen. Jehuda hatte versucht, sein Leben zu retten. Plötzlich änderten die Brüder ihre Gesinnung und beschuldigten Jehuda, für die Reaktion Ja’akovs verantwortlich zu sein. Welche Chuzpa (Dreistigkeit) der Brüder, Jehuda dafür zu beschuldigen, dass er Josef nicht nachhaltiger beschützt habe.

Der andere Teil des vorher erwähnten Midrasch’s ist sogar noch verwirrender. Der Midrasch legt dar, dass eine Person, die eine Mizva (gute Tat) anfängt, sie aber nicht zu Ende führt, mit dem Tod seiner Frau und Kinder bestraft wird (was auf Jehuda in Kapitel 38 zutrifft). Jehuda hatte die Mizva begonnen. Es war seine Idee, als er versuchte, Josef zu retten. Er hätte die Sache zu Ende führen sollen. Er hätte standhaft sein und seinen Brüdern sagen sollen: „Das ist nicht recht. Ich werde Josef aus der Grube herausholen und ihn zu unserem Vater zurückbringen.“

Dies ist wirklich ein schwer verständlicher Midrasch! Die anderen Brüder, die bereit gewesen waren, Josef umzubringen, erlitten keine negativen Folgen für ihre Familien. Sie mussten ihre Kinder nicht beerdigen. Jehuda, der wenigstens versucht hatte, Josef zu retten – und teilweise erfolgreich war – beklagte den Verlust seiner Frau und Kinder. Wo bleibt hier die Gerechtigkeit?

Raw Jerucham Leibowitz sagt, dass wir zwei verblüffende Tatsachen aus diesem Midrasch lernen. Von der Absetzung Jehudas, lernen wir, dass Führerschaft nicht nur Vorrechte, sondern auch Verantwortung mit sich bringt. Letztendlich ist der „Schwarze Peter“ beim Führer. Jeder Bruder war für seine eigenen Taten verantwortlich. Jehuda aber war der Führer und als solcher für das gemeinsame Handeln aller verantwortlich. Wenn der Führer es unterlässt, seine Verantwortung wahrzunehmen, sind die Folgen verheerend.

Dies trifft für jeden Verantwortungsbereich zu. Wenn der Fusssoldat den Befehl verweigert, kann es Schwierigkeiten geben. Wenn der General den Befehl verweigert, sind die Folgen verheerend. Um einen schlichten und einfachen Vergleich aus dem Fussball zu geben: Wenn der Stürmer nicht mitspielt, ist dies nicht das Ende der Welt. Wenn aber der Torhüter den Ball ignoriert, so ist das Spiel verloren. Das Team, die Fans und der Trainer werden alle auf ihn zugehen und sich beschweren: „Es ist alles dein Fehler.“

Jehuda war der Führer. Er hätte die Macht gehabt, die Situation zu retten, hat es aber unterlassen.

Anschliessend befasst sich Rav Jerucham mit dem zweiten Teil des Midraschs und erklärt: Wir stellen fest, dass jemand beim Beginn einer Mizva eine Kraft schafft, die ein Eigenleben entwickelt, wenn sie zu Ende geführt wird. Wenn man mit einer Mizva beginnt, erschafft man etwas Greifbares. Die Mizva winkt dem Urheber zu: „Fördere mich, führe mich zu Ende.“ Diejenigen, die die Mizva nicht angefangen haben, erschufen keine solche Kraft. Es ist nicht ihre Aufgabe, die Kettenreaktion, die durch die angefangene Mizva verursacht werden kann, zu fördern und zu Ende zu bringen.

Eine Mizva mittendrin zu unterbrechen, wird dem Auslöschen eines Lebens gleichgestellt. Der Vergleich kann hier mit jemandem gemacht werden, der sich keine Kinder wünscht. Aus unserer Sichtweise heraus, ist dies keine gute Sache; aber wir würden so einen Menschen nie einen Mörder nennen. Andererseits wird jemand, der sich entscheidet ein Kind zu haben und seine Meinung ändert, ganz anders beurteilt. Welche Haltung hat man gegenüber einer Person, welche das eigene Kind umbringt? Diese Person verdient sicherlich eine schärfere Reaktion, als diejenige, die sich von Anfang an dafür entscheidet, keine Kinder zu kriegen.

Wenn ein Mensch etwas Greifbares erschafft und es dann zerstört oder ihm nicht erlaubt, das innewohnende Potential zu erreichen, wird er mit einem Mörder verglichen.

Eine Mizva anzufangen, ist wie ein Kind zu haben. Die Mizva zu unterbrechen, bevor sie zu Ende geführt wurde, schadet dem Verursacher in geistigem Sinn viel mehr, als demjenigen, der lediglich sagte: „Ich versuche es nicht.“

Die Brüder haben es nicht einmal versucht. Was auch immer die persönlichen Beweggründe waren, sie haben die Mizva niemals begonnen. Jehuda hingegen begann etwas. Er erschuf eine Kraft, die das Potential hatte, wirklich und lebendig zu werden. Er entschied sich, sie zu vernichten und zu zertreten. Er brach seine Mizva ab. Daraufhin verhängte die g’ttliche Vorsehung die entsprechende Strafe: Er musste seine eigenen Kinder begraben.

Dies ist wahrhaftig eine beängstigende Vorstellung. Sie widerstrebt unserer natürlichen Haltung. Normalerweise neigen wir dazu die Brüder schlechter zu beurteilen als Jehuda. Jehuda hatte wenigstens versucht, Josef zu retten. Der Versuch hätte ihm angerechnet werden sollen – „Note 6 für das Bemühen!“

Es stimmt zwar, dass es das Bemühen ist, das wirklich zählt. Wenn es jedoch um „Ruchniut“ (Geistigkeit) geht, besteht hier jedoch ein Chisoron (eine Unzulänglichkeit) in der Bemühung. Eine halbherzige Anstrengung ist schlimmer als gar keine Bemühung. Wenn man den Versuch wagt und etwas erschafft, entsteht damit auch eine Verantwortung. Genau wie die Führerschaft Verantwortung mit sich bringt, so beinhaltet auch die Erschaffung der Lebenskraft einer Mizva Verantwortung. Möge es uns allen vergönnt sein, Mizvot anzufangen und sie vollständig zu Ende zu führen.


Allen einen „lichtigen“ Chanukka!


Quellen und Persönlichkeiten:
Raschi (1040 - 1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]: Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland), "Vater aller Torahkommentare".
Midrasch: Erklärung zur Torah, oft mit Gleichnissen.
Rav Jerucham Leibowitz (1874 - 1936): Einflussreicher Denker, Maschgiach (Leiter und geistiger Ratgeber) der Jeschiwa in Mir, Litauen.



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