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Warum war Mosche bereit, sich zu entlarven? (Rav Frand Schemot 5781)

Ergänzungen: S. Weinmann

Warum war Mosche bereit, sich zu entlarven?

Der Passuk sagt: "Es war zu jener Zeit, als Mosche herangewachsen war, ging er zu seinen Brüdern hinaus und sah sie bei ihren Lastarbeiten; da sah er, wie ein ägyptischen Mann einen von  seinen Brüdern, einen Hebräer, schlug" (Schemot 2:11). Der Midrasch Rabba [Schemot 1:32] interpretiert die Worte "und er sah ihre Lastarbeiten" mit der Bedeutung, dass sie keinen Tag der Ruhe hatten – sie arbeiteten an sieben Tage in der Woche. Zu diesem Zeitpunkt war Mosche noch ein "Stiefsohn" der königlichen Familie, der im Palast des Königs aufgezogen wurde. Laut dem Midrasch ging Mosche zu seinem "Stiefvater" und sagte ihm, dass es im nationalen Interesse liegen würde, den Sklaven von Pharao jede Woche einen Tag freizugeben. Er argumentierte: Wenn du deinen Sklaven nicht die Möglichkeit gibst, an einem Tag der Woche auszuruhen, werden sie an Überanstrengung sterben.

Pharao akzeptierte Mosches Anregung, und sie erhielten einen Ruhetag pro Woche. Der Midrasch sagt, dass der Tag, den Mosche ihnen alsdann als Ruhetag festsetzte, der Schabbat war. Weiter steht im Midrasch [ibid. 5:28] dass sie Megillot (Rollen) hatten und damit am Schabbat ihre Zeit verbrachten. Der "Maharsu" zur Stelle erklärt, dass diese Rollen alle Erzählungen von Sefer Berejschit beinhalteten.

Der "Ikwej Erew" wundert sich, warum Pharao mit Mosches Vorschlag einverstanden war. War es denn nicht seine Absicht, sie alle zu töten? Er liess ja alle neugeborenen Knaben in den Nil werfen, und sein hochfliegender Plan war es, dieses gesamte Volk loszuwerden! Pharao war Teil des bekannten „Endlösung-Planes“, dieses Problem mit der Ausrottung der Juden zu meistern. Wie ist es also möglich, dass Pharao für Mosches Argument "wenn du sie sieben Tage in der Woche arbeiten lässt, so werden sie alle sterben", empfänglich war?

Der Ikwej Erew ist der Meinung, dass Pharaos Plan bezüglich der Juden sich allmählich entwickelte. Ursprünglich wollte er sie wirklich ausrotten. Dies nahm aber Zeit. Zuerst versuchte er es mit Schwerarbeit, als dies das Gegenteil bewirkte, versuchte er es durch die jüdischen Hebammen. Als auch dies nichts brachte, befahl er alle neugeborenen Knaben in den Nil zu werfen. Inzwischen waren die Juden aber "fruchtbar, es wimmelte von ihnen, sie vermehrten sich und wurden stark…", und Pharao hatte Tausende, Hunderttausende und eventuell Millionen von Sklaven. Nachdem die Gratisarbeitskraft zur Norm wurde, wurde der Gedanke, sie alle auszurotten, immer weniger verlockend. Die Ausmerzung dieser Gratisarbeitskräfte würde für die ägyptische Wirtschaft einen wesentlichen Schock darstellen. Mosche Rabbejnu realisierte dies und er wusste, dass Pharaos Begehren für Geld seinen Hass für die Juden übertraf. Dies ist die Natur der Menschen. Es wurde ihm zu schwer, die Gratisarbeit einfach aufzugeben.

Anfänglich, bevor er sich an die Gratisarbeit gewöhnte, erliess er die Anordnung: "Wirft die männlichen Neugeborenen in den Nil." Einige Jahre später jedoch, als er den Segen sah, den die Gratisarbeit für seine Wirtschaft brachte, legte er seinen philosophischen und ethnischen Hass beiseite und war empfänglich für Vorschläge, die die Produktivität der jüdischen Gratisarbeit steigern würde.

Dies führt uns zu einer weiteren Beobachtung. Was wir aus diesem Vorfall ersehen können, ist es, dass Mosche Rabbejnu einen Einfluss auf Pharao hatte. Die Tatsache, dass sie einen freien Tag erhielten, war nur dem zu verdanken, dass Mosche im Palast etwas zu sagen hatte und sein Privileg dazu verwenden konnte, Pharao zu überzeugen, den Juden einen Tag freizugeben.

Danach sieht Mosche, wie ein Ägypter einen jüdischen Mann schlägt - er tötet den Ägypter und versteckt ihn im Sand. Der Alter von Nowardok stellt eine Frage: "Warum stellte Mosche keine Berechnung an – hier befindet sich ein Jude, der von einem Ägypter geschlagen wird. Wenn ich jetzt handle, um den Juden zu retten, werde ich meine Tarnung verlieren. Pharao wird so erzürnt sein, dass er mich hierauf zumindest verbannen wird. Lohnt es sich nicht eher, zuzulassen, dass der Jude geschlagen und eventuell getötet wird, wenn ich das grössere Bild in Betracht ziehe, dass dies mir ermöglichen wird, meine Tarnung beizubehalten und meinen privilegierten Status bei Pharao aufrecht zu erhalten, der sich für die Juden bereits als vorteilhaft erwiesen hat (indem er ihnen einen freien Tag erlangt hat)?"

Der Alter von Novardok antwortet, dass Mosche keine solche Berechnung anstellte. Als er sah, dass dieser Ägypter einen Juden schlug und niemand ihm zu Hilfe kam, sah er eine Realität, die Klall Jisrael verurteilt hätte – nämlich die Realität, dass ein Jude sich nicht für das Schicksal eines anderen Juden interessiert. Der Alter interpretiert "Er wandte sich nach allen Seiten um und sah, dass kein Mensch zugegen war …" [Schemot 2:12] damit, dass Mosche in alle Richtungen schaute und sah, dass niemand bereit war, diesem leidenden Juden zu Hilfe zu kommen. Falls die jüdische Nation die Einstellung hat, dass "jeder Mensch für sich selbst sorgt", so wird es nie eine Ge’ula (Erlösung) geben. Der einzige Weg für eine Ge’ula ist, wenn jeder Jude sich um den anderen kümmert.

Mosche Rabbejnu, der die Dinge aus einer grösseren Perspektive sah, nahm eine Haltung ein, die die Ge’ula ermöglichen würde und musste deshalb Stellung beziehen: Ich werde mich für einen anderen Juden einsetzen, sogar wenn mich dies meine Position und meinen Einfluss bei Pharao kostet. Es lohnt sich, weil Klall Jisrael nur aus dem Galut (Exil) herauskommen kann, wenn ein Jude einem anderen Juden beisteht.

Indem er den Ägypter tötete - da er diese Haltung einnahm - und deshalb aus dem Haus von Pharao fliehen musste, sandte Mosche eine laute und starke Botschaft aus: Wir müssen alle mit anderen Juden mitfühlen und einander helfen. Weil er diese Handlung unternahm und die Juden mit dieser Botschaft beeindruckte, wurde das jüdische Volk letzten Endes der Erlösung aus Ägypten würdig.

Quellen und Persönlichkeiten:

  • Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tana’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).
  • Rabbi Se’ev Wolf Einhorn (gest. 15. März 1862); Grodno, Wilna, Litauen. Bekannt als Maharsu; verfasste einen berühmten Kommentar auf den Midrasch Rabba.
  • Rabbi Josef Joisel Horovitz, (1847–1919); bekannt als "Alter von Novardok". Schüler von Rabbi Jisrael Salanter, dem Gründer der Mussar-Bewegung. Er gründete ein Netzwerk von Kollelim in 20 polnischen und russischen Städten. Auch gründete er die Novardoker Jeschiwa in der Stadt  Navahrudak (Region Grodno, Polen/Litauen, heute  Weißrussland), wie viele weitere Jeschiwot in grösseren Städten. In seiner Blütezeit zählte das Jeschiwa-Netzwerk der Novardok-Jeschiwa rund 4’000 Studenten. Der Namen seiner Werke: Madregat HaAdam.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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