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Raw Frand zu Parschat Jitro 5764 (Beitrag 1)

Der Gewinner in einem Rechtsstreit verliert auch

Jithro hat es verdient, dass ein Wochenabschnitt nach ihm benannt ist. Unsere Weisen lehren, dass der Grund dafür der Ratschlag war, den er seinem Schwiegersohn Mosche gegeben hatte. Die Leute standen Schlange, um von Mosche ihre Streitigkeiten schlichten zu lassen. Mosche war den ganzen Tag damit beschäftigt, die Differenzen der Menschen anzuhören. Jithro stellte fest, dass dies an Mosches Kräften zehrte und sehr viel Zeit in Anspruch nahm. Er gab ihm deshalb seinen berühmt gewordenen Ratschlag, ein hierarchisches Gerichtssystem aufzubauen. Er wies Mosche an: „Du sollst ihnen den Weg zeigen, den sie beschreiten und die Taten, mit denen sie sich beschäftigen sollen“ [Schemot 18:20].

Der Talmud [Bava Mezia 30b] entnimmt aus diesem Pasuk zwei Gruppen von Anweisungen. „Der Weg, den sie beschreiten sollen“ bezieht sich auf den Buchstaben des Gesetzes und „die Taten, mit denen sie sich beschäftigen sollen“ bezieht sich auf Handlungen, die über die strikte Anwendung des Gesetzes hinausreichen („lifnim miSchurat haDin“).

Das Konzept von „lifnim miSchurat haDin“ beschreibt die Situation, in der ein Mensch einen anderen vor ein Gericht laden könnte, um seine Geldforderungen gerichtlich durchzusetzen und dabei gute Gewinnchancen hätte; trotzdem sollte er bereit sein, dem anderen mehr entgegenzukommen, als das Gesetz es vorsieht.

Die Gemara weist an dieser Stelle im Namen von Rabbi Jochanan darauf hin, dass Jerusalem zerstört wurde, weil die Leute auf ihrem Recht bestanden und das Konzept „über den Buchstaben des Gesetzes hinauszugehen“ nicht beherzigten.

Diese Gemara ist ziemlich beängstigend. Der Ausdruck „über den Buchstaben des Gesetzes hinausgehen“ scheint zu sagen, dass es mein gutes Recht ist, auf dem Buchstaben des Gesetzes zu beharren, indem ich meinen Widersacher zu einem ‚Din Tora‘ (jüdisches Gericht) vorlade und Gerechtigkeit verlange. Wieso führte dann die Tatsache, dass die Menschen auf den ihnen zustehenden Rechten beharrten, zur Zerstörung Jerusalems?

Der Chofez Chajim sagt, dass Jithro‘s Ratschlag an Mosche mehr beinhaltete, als nur ein hierarchisch gegliedertes Rechtssystem aufzubauen. Der Ratschlag wollte unter anderem das jüdische Volk auch lehren, dass es ein Konzept von ‚lifnim miSchurat haDin‘ gibt. Man musste ihnen beibringen, dass es nicht immer notwendig oder angebracht ist, auf seinem Recht zu bestehen. Es sollte den Leuten bewusst gemacht werden, dass ein Kompromiss einen eigenen Stellenwert hat und dass es auch möglich ist, Konflikte aussergerichtlich beizulegen. Dies war auch ein Teil des Lösungsvorschlages, wie man die Gerichte entlasten könnte. Die Leute sollen nicht wegen jeder Kleinigkeit zum Gericht rennen. Sie sollen kompromissbereit sein und ihre Konflikte aussergerichtlich lösen.

In der Tat: Wenn zwei Leute vor einem Bejt Din erscheinen, wird ihnen nahegelegt, den Konflikt mittels Kompromiss („P’schara“) zu lösen, statt einen Gerichtsentscheid („Din“) anzustreben.

Einer der Erklärer zum Schulchan Aruch, der SeMaG, wirft die Frage auf, weshalb die Richter berechtigt sind, einen solchen Vorschlag zu machen. Wie kann ein Richter es mit gutem Gewissen verantworten, einer Partei, die seiner Meinung nach 100% im Recht ist und eine volle Entschädigungszahlung oder Wiedergutmachung verlangen könnte, zu einem Kompromiss zu raten?

Normalerweise ist es verboten, jemandem einen schlechten Ratschlag zu erteilen – sei er geistiger oder finanzieller Natur. Das gehört zum Verbot, keinen Stolperstein vor einen Blinden zu legen. Wenn jemand nun einen hieb - und stichfesten Vertrag und 100% Anspruch auf Schadenersatz hat, weshalb ist es dann kein ‚schlechter Ratschlag‘ der Richter, ihm einen Kompromiss zu empfehlen?

Der SeMaG antwortet, dass es kein schlechter Ratschlag ist, jemandem einen Kompromiss nahezulegen. Sogar wenn eine Partei aus finanzieller Sicht übers Ohr gehauen wird, wird dies dadurch mehr als aufgewogen, dass man als Freunde und nicht als Feinde auseinandergeht.

Man mag den Gerichtsfall gewinnen und sein Geld erhalten, man schafft sich jedoch einen Feind fürs Leben. Deshalb ist man mit einem Kompromiss GUT beraten.

Gut, du wirst es ihm zeigen. Du machst ihn zur Schnecke. Aber versuche nachher mit ihm bei einer Hochzeit am selben Tisch zu sitzen. Versuche dich mit ihm im gleichen Zimmer aufzuhalten. Es wird nie mehr so sein wie früher. Wenn sich zwei Menschen vor Gericht an der Kehle packen, mag einer der Sieger sein – er ist jedoch auch ein Verlierer. Das ist die Natur des Menschen. Er vergisst nicht.

Das ist es, was der SeMaG lehrt. „Klar, du magst diesen Fall gewinnen – aber du wirst dir einen Feind fürs Leben schaffen. Ich gebe dir einen guten Ratschlag : Gehe einen Kompromiss ein.“ Jithros Rat an Mosche war: Ein Kompromiss entlastet alle. Diesen guten Rat sollte jeder Richter beherzigen.

Rav Pam erklärte, dass wir jetzt verstehen können, warum es in der Gemara heisst, dass Jerusalem zerstört wurde, weil sie auf gerichtlichen Entscheidungen bestanden, statt „über den Buchstaben des Gesetzes“ hinauszugehen. Wir fragen uns: „Wie ist das möglich?“ „Es ist doch nicht recht! Habe ich denn kein Anrecht auf ein Din Torah?“

Die Antwort darauf ist, dass diese Gemara eine andere Gemara [Joma 9b] ergänzt, welche von der Zerstörung Jerusalems wegen unbegründetem Hass („Sinat chinam“) spricht. Wie kommt man zu „Sinat chinam“? „Sinat chinam“ gedeiht in einer Gesellschaft, die gekennzeichnet ist von: „Jeder würde den anderen am liebsten aufessen“. Sie fallen einander an die Gurgel und jeder zieht den anderen vors Gericht. Bei einer Hochzeit können 10 Leute an einem Tisch sitzen und sich weigern, miteinander zu sprechen, weil sie allesamt schon Gerichtsfälle gegeneinander verloren haben.

Die Gemara spricht über eine Gesellschaft, welche auf Dinej Torah besteht, statt Kompromisse zu suchen und im Einklang mit dem Konzept von „lifnim miSchurat haDin“ zu leben. Sie spricht über den Nährboden, auf dem unbegründeter Hass gedeihen kann. Es war nicht einfach der Mangel von „lifnim miSchurat haDin“ an sich, der zur Zerstörung Jerusalems geführt hat. Er war jedoch das Kennzeichen einer Gesellschaft, die von unbegründetem Hass durchdrungen war.


Quellen und Persönlichkeiten:
Rabbi Mosche ben Jakob von Couchy (1. Hälfte des 13. Jahrhunderts): Tosafist, Gelehrter und Redner; Verfasser des Werkes SeMaG („Sefer Mizwot haGadol“ – „das grosse Buch der Mizwot“); wirkte in Frankreich und Spanien.
Schulchan Aruch („gedeckter Tisch“): Jüdischer Gesetzeskodex, niedergeschrieben von Rabbi Josef Karo (1488 – 1575), Sefat, Israel.
Chofez Chajim: (1838-1933): Rav Jisrael Me’ir HaKohen von Radin. Autor grundlegender Werke zu jüdischem Recht und jüdischen Werten (Halachah, Haschkafah und Mussar).
Rav Avraham Pam (1913 – 2001): Führender Gelehrter; Rosch Jeschiwa; Brooklyn, New York.



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