Ein Vorgeschmack auf das messianische Zeitalter - (Rav Frand Ki Tissa 5781 – Beitrag 1)

Ein Vorgeschmack auf das messianische Zeitalter
Im aktuellen Wochenabschnitt wird über die Geschichte des Ejgel Hasahaw (goldenen Kalb) berichtet. Der Ramban, der Da’at Sekejnim, wie auch der Or Hachajim Hakadosch [Schemot 32:1] sagen, dass es sich nicht um richtigen Götzendienst handelte, der hier ausgeführt wurde; die Juden wollten einfach eine Mittelsperson, einen Führer statt Mosche, weil sie dachten, Mosche sei gestorben. Trotzdem war dies eine schreckliche Sünde.
Die Tora möchte uns sagen, dass diese Geschehnisse einem steuerlosen Güterzug glichen. Die Ereignisse waren ausser Kontrolle geraten. Sie hatten sich mit dem Termin von Mosches Rückkehr vom Berg Sinai geirrt. Mosche sollte später zurückkehren, als sie es irrtümlich annahmen. Der Satan erfasste die Gelegenheit. Er machte, wie der Talmud [Traktat Schabbat 89a] und Raschi zur Stelle, es nennen „eine Verwirrung in der Welt“, indem er gleich Dunkel, Finsternis und Verwirrung erscheinen liess, um damit zu sagen, sicherlich ist Mosche gestorben. Und als sie dies nicht glauben wollten, zeigte er ihnen gleich der Gestalt von Mosche, die man durch die Luft des Himmelraumes trug. Die Menschen schrien nach einer Mittelsperson, einem Führer statt Mosche. Chur, Neffe von Mosche und Aharon, erhob sich und versuchte sie aufzuhalten. Die Menschen töteten Chur. Die Ereignisse gerieten ausser Kontrolle. Es glich einer Lawine, die den Berg herunterzurollen kam. Unaufhaltsam.
Und auch Aharon wurde von der unaufhaltsamen Lawine mitgerissen. Aharon, der um sein Leben fürchtete, als er sah, was mit Chur geschehen war, machte nach aussen hin mit den Menschen mit und versuchte sie zu bremsen und zu mässigen und die Sache hinauszuschieben, leider ohne Erfolg.
Plötzlich kam Mosche vom Berg hinunter. Er erhob seine Hände, als ob er sagen wollte: „Halt!“ Einen Moment später kam die ganze Sache zum Stillstand.
Was war geschehen? Wie war es möglich, diese unaufhaltsame Lawine in einem Sekundenbruchteil aufzuhalten?
Der Beijt Aw macht folgende Beobachtung: Das ist die Kraft der Wahrheit. Die Sünde des Volkes stützte sich auf ein Fehlurteil, auf eine falsche Annahme, auf eine boshafte Vorspiegelung des Satans. Sobald die Wahrheit zum Vorschein kam, war es, als ob man in einem dunklen Zimmer das Licht einschaltete. Die Dunkelheit verlor sich augenblicklich. Mit solcher Kraft vermag die Wahrheit Unwahrheiten zu vertreiben.
Scheker (Falschheit, Lüge) wird durch den lauteren Emet (Wahrheit) augenblicklich gestoppt.
Dies ist für uns eine gewaltige ethische Lehre: Tausende von Jahre sehnen wir uns schon nach dem Melech haMaschiach (gesalbten König, Messias) und beten für ihn. Wir sagen jeden Tag vor Jischtabach: „Und Helfer (Maschiach ben Josef und Maschiach ben David) werden den Berg Zion besteigen, um den Berg Ejsaw zu richten und die Herrschaft wird dem Ewigen sein. Und der Ewige wird König über die ganze Erde sein, an jenem Tage wird der Ewige einzig und sein Name einzig sein.“
Wir fragen uns: Wie wird sich die Welt zu Maschiachs Zeiten verändern? Wie kann es sein, dass alle Menschen plötzlich die zentrale Wichtigkeit des jüdischen Volkes für das ganze Universum erkennen? Wie kann es sein, dass alle religiösen Führer der anderen Religionen plötzlich sagen werden: „Ihr habt recht, es gibt nur einen einzigen G’tt; alles andere ist nur Scheker“? Wie kann sich so ein Szenario plötzlich abspielen?
Diese Parascha zeigt, wie alles sein wird. Wenn Falschheit auf Wahrheit trifft, schmilzt die Falschheit weg. Wenn die Wahrheit des Maschiach bekannt wird, wird sich die ganze Welt vollkommen ändern.
Die folgende Geschichte ereignete sich anfangs 1992. Rav Pam kam nach Baltimore, um Rabbi Binjamin Steinberg zu besuchen, der sehr krank war. Rabbi Steinberg war ein Schüler von Rav Pam und viele Jahre lang der Menahel (Rektor) der Bejt Ja’akow High School von Baltimore. Rabbi Steinberg war zudem ein hervorragender Lehrer für jüdische Geschichte und zeitgenössische Ereignisse. Ich war bei diesem Gespräch nicht dabei. Aber Rabbi Steinberg hatte die Gelegenheit mit seinem Rosch Jeschiwa zu reden und ihm die Frage zu stellen, die jedermann auf dem Herzen lag: Was geht auf dieser Welt vor?
[Chronik 1991 - Das Ende der Sowjetunion
In Moskau kam es im August zu einem Putsch, bei dem der Staatspräsident Michail Gorbatschow abgesetzt wurde. Funktionäre der KPdSU waren mit seiner Reformpolitik nicht einverstanden, sie versuchten die Macht im Land wiederzuerlangen. Die Unabhängigkeit einzelner Republiken, die Gorbatschow befürwortet hatte, bereitete ihnen ebenfalls Sorge. Doch all das führte letztendlich zum Zerfall des sowjetischen Staatenbündnisses. Gorbatschow trat Ende 1991 von seinen Ämtern zurück. Das war das endgültige Aus für das Bestehen der Sowjetunion.]
Die Welt, wie sie im Frühling 1992 aussah, war eine ganz andere wie diejenige einige Monate früher Mitte 1991! Dann gab es in Russland noch eine kommunistische Regierung, die Welt funktionierte, wie sie „immer“ funktioniert hatte, es gab zwei deutsche Staaten, alles war „normal“. Kaum sechs Monate später war alles komplett anders. Was bedeutet das? Wieso geschah dies alles?
Auf seine ihm eigene Weise zuckte Rav Pam mit den Schultern und sagte: „Ich weiss es nicht.“ Aber einen Hinweis gab er. G’tt will uns zeigen: „Schaut! So wird es sein!“
Falls jemand zweifelt, wie Maschiach alles umstülpen kann, wie die Menschen ihre alten Glaubenssätze überraschend aufgeben und ausrufen können, dass G’tt wahr ist und das jüdische Volk Seine auserwählte Nation ist, wie alle anderen Glaubensrichtungen einlenken werden; falls jemand sich sagt: „Das kann nicht wahr sein; wie kann sich alles über Nacht ändern?“: Genau das hat G’tt in diesen sechs Monaten getan. Die Welt hat sich fast über Nacht grundlegend verändert. Das ist für uns ein Vorgeschmack.
Dies ist auch die Lehre unserer Parascha. Scheker kann vom Emet weggefegt werden. Mosche bremste das Goldene Kalb in einem Sekundenbruchteil. So wird es auch Maschiach tun – möge es bald sein in unseren Tagen.
Quellen und Persönlichkeiten:
Raschi (1040-1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]; Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TANACH- und Talmudkommentare“.
Da’at Sekejnim mi'Ba'alej HaTossafot; ein Torakommentar der Ba'alej HaTossafot („Tossafisten“), der Talmuderklärer des 12. und 13. Jahrhunderts.
Ramban: Rabbi Mosche ben Nachman (1194 - 1270); Gerona, Spanien; Erez Jisrael; einer der führenden Toragelehrten (Rischonim) des Mittelalters, einer der Haupterklärer des Chumasch (fünf Bücher Moses), wie Verfasser weiterer Werke in Haschkafa (Kitwej haRamba“n) und Abhandlungen zum Talmud.
Rav Avraham Pam (1913 - 2001): Führender Gelehrter; Rosch Jeschiwa; Brooklyn, New York.
Bejt Aw: Buch von Rav Eljakim Schlesinger: Zeitgenössischer Rosch Jeschiwa in London.
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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich
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