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Raw Frand zu Parschat Schelach Lecha 5762

Erzieher sein heisst manchmal: Wissen, wann zu schweigen

Rav Mottel Katz szl. war während vielen Jahren der Leiter der Telser Jeschiwa in Cleveland. Er hatte ein sehr schweres Leben gehabt. Er hatte fast die ganze Familie in Europa verloren. In Amerika angekommen, musste er nicht nur die Jeschiwa, sondern auch seine eigene Familie wieder neu aufbauen.

Die folgende eindrückliche Episode, beschreibt ihn und sein Leben sehr gut. Jemand trat einmal am hellichten Tag in sein Arbeitszimmer und sah, dass er weinte. Der Besucher erkundigte sich, wieso er weine. Rav Mottel antwortete, dass er in Europa 10 Kinder gehabt hatte. Alle waren im Holocaust umgekommen und jetzt fing er an, ihre Namen zu vergessen. Er begann zu weinen, weil er sich nicht mehr an die Namen seiner eigenen zehn, niedergemetzelten Kinder erinnern konnte. Dies gibt uns ein vages Gefühl dafür, welch schwere Zeiten er durchmacht haben musste.

Rabbi Aba Sero von Cleveland erzählte mir eine Geschichte von Rav Mottel Katz. Ich konnte nicht glauben, dass diese Begebenheit wirklich der Wahrheit entspräche. Darauf entgegnete er mir, er könne es schriftlich beweisen. Rav Mottel Katz erwähnte diese Begebenheit nämlich in seinen eigenen gesammelten Schriften und ich erhielt nun eine Kopie derselben zugeschickt. Rav Ja'akov Welwel Katz, der Sohn von Rav Mottel erteilte mir die Erlaubnis, dieses Ereignis wiederzugeben, was ich in der Folge nun tue.

Der Grund, wieso Rav Mottel diese Episode schriftlich festhielt, ist ein Gedanke, mit dem wohl jeder einverstanden ist: Es gibt nicht nur EINEN Weg, einen Schüler zu erziehen und ihn geistig wachsen zu lassen. Chinuch (Erziehung) ist eine sehr differenzierte und dynamische Tätigkeit. Sie wechselt dauernd. Harte und unerschütterliche Regeln gibt es nicht. Was für ein Kind gut ist, stimmt nicht unbedingt für ein anderes Kind. Was in der einen Situation wirkt, wirkt nicht unbedingt in einer anderen Lage. Eltern und Erzieher müssen die Umstände immer wieder neu beurteilen.

"Manchmal", so schreibt Rav Mottel, "heisst Erziehen": "nicht Erziehen". Manchmal sollten die Eltern und Erzieher gerade NICHT reagieren. Obwohl sie eigentlich etwas hätten entgegnen sollen, wäre eine Antwort in einer solchen Situation möglicherweise kontraproduktiv.

Diese Lehre stammt aus dem Talmud: So wie es eine Mizwa (Gebot) ist, jemanden, der hören und verstehen will, zurechtzuweisen, ist es auch eine Mizwa, jemandem der nicht hören und verstehen will, nichts zu sagen [Jewamot 65b].

Rav Mottel erklärt, dass dieses Prinzip in Parschat Schlach Lecha behandelt wird. Der Pasuk (Vers) sagt: "Schlach LECHA" - "Schicke aus FÜR DICH" [Bamidbar 13:2]. Raschi kommentiert, dass Mosche angewiesen wurde, die Kundschafter "für sich selbst" auszusenden. In Wahrheit sagte G'tt zu Mosche: "Ich weiss, dass nichts Gutes dabei herauskommen wird. Kundschafter sind nicht nötig; sie werden alles ruinieren; man sollte sie gar nicht aussenden ... Aber falls du sie trotzdem aussenden willst - meinetwegen, du sollst deinen Willen haben!"

Rav Mottel fragt: Warum sagte G'tt nicht geradeaus: "Schicke keine Kundschafter!" Es war doch klar, dass dies nicht der richtige Weg war und dass alle Zeichen nur Unheil verhiessen. Man hätte nicht auf die Forderung des Volkes eingehen sollen, die Kundschafter auszusenden. Es war klar, dass dies eine schlechte Idee war. G'tt hätte es kurzerhand verbieten sollen. Er hätte dem Volk sagen sollen: "Sorry. Ich bin G'tt. Ich weiss es besser!"

Die Antwort darauf ist, so sagt Rav Mottel, dass die Menschen nicht bereit waren zuzuhören. Sie standen auf einer zu tiefen geistigen Stufe. Es hätte nichts geholfen. Auch wenn Mosche ihnen die g'ttliche Botschaft weitergegeben hätte, wären sie nicht imstande gewesen, sie zu erfassen. Sie hätten entgegnet: "Wieso sollen wir keine Kundschafter schicken? Die ganze Welt weiss, dass dies der Weg ist, um ein Land zu erobern: Man sendet zuerst Spione aus und holt Informationen ein!"

Unter diesen Umständen liess man sie am besten gewähren. Einwände wären auf taube Ohren gestossen.

Jeder, der ein Kind hat, das dem Säuglingsalter entwachsen ist, und ganz gewiss jeder, der einen Halbwüchsigen oder ein älteres Kind hat, versteht diesen Gedanken. Wir Eltern wissen oft, was gut und richtig ist, aber es ist uns ebenso klar, dass unsere Kinder nicht auf uns hören werden. So schwer es für Eltern auch ist: Manchmal ist Schweigen angebracht. Wir können Andeutungen machen, Hinweise oder Anreize geben. Aber zu guter Letzt müssen unsere Kinder selber Entscheidungen treffen. Manchmal hilft es nichts, wenn wir etwas sagen.

So war die Situation bei der Geschichte mit den Kundschaftern. "Richtig" wäre es gewesen, wenn man den Kindern Israels gesagt hätte: "Kundschafter? Nein!" Aber diese Methode hätte versagt.

Die Begebenheit, von der Rav Mottel berichtete, ereignete sich in der Telser Jeschiwa in Cleveland, USA (wahrscheinlich um 1950). Die Episode, welche die obige Lehre veranschaulicht, spielte sich wie folgt ab:

"Ich wurde von den Studenten meiner Jeschiwa um Erlaubnis gebeten, das Ma'ariv-Gebet (Abendgebet) früh verrichten zu dürfen. Sie baten darum, die festen Zeiten, die in der Jeschiwa galten, für diesen Abend zu ändern. Wieso wollten sie eine Änderung der Gebetszeiten der Jeschiwa? Damit sie am Radio den Meisterkampf im Boxen mitverfolgen konnten. Um zu wissen, wer den Sieg davontragen würde."

Stellen Sie sich heute Talmidim (Studenten) vor, die den Rosch Jeschiwa (Rektor) fragen, ob die Gebetszeiten der Jeschiwa wegen einem Fussballspiel geändert werden könnten!!

Rav Mottel führte aus: "Mir war absolut klar, dass es sich nicht gehörte, die Gebetszeit für Ma'ariv und den Lehrplan der Jeschiwa wegen einem Schwergewichts-Boxkampf zu ändern; wegen zwei Menschen, die nichts anderes im Sinne haben, als den anderen zu verdreschen oder zu verletzen."

Aber wofür entschied sich dieser grosse Spross der litauischen Jeschiwot (Lehrhäuser), dieser Abkömmling der europäischen Telser Jeschiwa? Was antwortete Rav Mottel auf die Bitte, Ma'ariv früh beten zu dürfen, um den Kampf am Radio mitverfolgen zu können?

"Ich konnte sie nicht zurückhalten und es ihnen nicht verbieten. Ich wusste, dass dies nicht die Zeit war, um nein zu sagen. Aus dem ganzen Land waren berühmte und angesehene Leute angereist, um bei diesem Schwergewichts-Boxkampf dabei zu sein, um Sitze möglichst nahe am Boxring zu ergattern! Dieser Boxkampf war für die Massen ein Grossereignis! Es war schwer, es den Jeschiwastudenten zu verbieten. Ich konnte nicht nein sagen, weil sie nicht wussten, aus welchem Umfeld ich stammte und welche Gründe mich zu diesem Verbot bewogen hätten."

Die Mehrzahl der Studenten der Telser Jeschiwa der 40-er und 50-erjahre, waren Absolventen der öffentlichen Schulen. Sie kamen aus kleinen, zerstreuten Gemeinden in die Telser Jeschiwa. Höhere Torahbildung steckte in Amerika erst in den Kinderschuhen. Sie hatten die geistige Stufe noch nicht erreicht, um begreifen zu können, dass das Zuschauen, wie zwei Menschen sich im Boxring gegenseitig verhauen, ein hirnloser Zeitvertreib ist. Wenn jemand in der Jeschiwa aufgestanden wäre und dies als bodenlosen Unsinn bezeichnet hätte, wäre dies auf taube Ohren gestossen.

Rav Mottel konnte nicht daran denken, was wohl seine Lehrer in Europa gedacht hätten, wenn der Lehrplan der Jeschiwa wegen eines solchen Ereignisses hätte geändert werden sollen. Er wusste nämlich, dass SEINE Studenten nicht auf der Stufe der Schüler seiner Lehrer standen. Die Studenten seiner Zeit waren noch nicht imstande, aufgrund von Werten der Torah, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen.

Das ist Chinuch: Man muss wissen, wann man reden soll und wann nicht, man muss seine Kinder und Schüler kennen und sich bewusst sein, in welchen Zeiten und in welchen Umständen man lebt und lehrt... Das ist Chinuch!

"Chinuch" in dieser Situation war, dass man in der stolzen Telser Jeschiwa Ma'ariv früh ansetzte, damit die Studenten den Boxkampf am Radio miterleben konnten.

Ich hätte diese Geschichte nicht geglaubt, wenn ich sie nicht mit eigenen Augen in Rav Mottels Schriften gelesen hätte. Dies zeigt die erzieherische Weisheit von Rav Mottel Katz szl. Dies zeigt klar und deutlich, was es heisst, ein Erzieher, ein Vater, ein Rebbe (Lehrer) oder Rosch Jeschiwa zu sein. Manchmal lässt es sich nicht vermeiden "ja" zu sagen. Und manchmal ist es besser, wenn man überhaupt nichts sagt!

Wenn wir in der Schmone Esre (Tefilat Amida) beten, bitten wir deshalb um Weisheit und Einsicht. Wir bitten G'tt dafür, dass er uns die Klugheit gibt, das Richtige zu tun bei der Erziehung unserer Kinder, unserer Schüler und unserer Gemeinschaft.


Quellen und Persönlichkeiten:
Rav Mottel Katz: Früherer Rosch Jeschiwa der Telser Jeschiwa in Cleveland, USA
Raschi (1040-1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]; Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller Torakommentare“.



Rav Frand, Copyright © 2007 by Rav Frand und Project Genesis, Inc und Verein Lema'an Achai / Jüfo-Zentrum.

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